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Das Rathaus in Duderstadt — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 6: Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.57465#0015
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DIE VERFASSUNG DER STADT

Landesherr das Wahlrecht des Vogtes nicht aus der
Hand gab und auch die bürgerliche Selbstverwal-
tung nur in Ansätzen greifbar ist, behielten sich die
welfischen Herzöge ein Kontroll- und Aufsichts-
recht über die von ihnen privilegierte Stadt vor.
Zu beachten ist, daß das Duderstädter Stadtrecht
nicht in allen Einzelheiten das einige Jahrzehnte
ältere Recht Braunschweigs übernimmt, sondern
sechs Artikel ausläßt und vierzehn hinzufügt.16)
Das Braunschweiger Recht wurde also den Duder-
städter Bedürfnissen angepaßt. In welcher Form
auch immer hat es vor der Stadtrechtsverleihung
Kontakte zu Braunschweig (und möglicherweise
anderen Städten des Herzogtums) gegeben, durch
die die Stadt Kenntnis der sie interessierenden Be-
stimmungen gewann.17)
Durch die Übernahme des Braunschweiger
Stadtrechtes sah Duderstadt Braunschweig gewis-
sermaßen als ,Mutterstadt’ an und den Braun-
schweiger Rat als geeigneten Interpreten für Zwei-
felsfragen. Von dort ergingen bis in die zweite
Hälfte des 15. Jahrhunderts Rechtsbescheide.18) Die
Stadt fungierte als Oberhof übrigens noch in einer
Zeit, in der Duderstadt längst nicht mehr zum wel-
fischen Territorium gehörte. Abgelöst wurde sie
von den aufstrebenden Universitäten, deren
juristische Fakultäten um gutachtlichen Rat gebe-
ten wurden, so etwa 1578 und 1622 die welfische
Universität Helmstedt19), bezeichnenderweise je-
doch nicht die mainzische Landesuniversität Erfurt.

Die Stadtverfassung im hohen und späten
Mittelalter
Schon bald nach der Gründung der Stadt sind
städtische Organe und Institutionen greifbar. 1255
werden erstmals Ratsherren („consules“) genannt,
1 und auch das Stadtsiegel ist in diesem Jahr erstmals
2 belegt/0) Durch die Wahl der Löwen für das Siegel-
bild drückte die Stadt ihre Verbundenheit mit dem
welfischen Hause aus. Die Mitglieder des Rates
waren in dieser frühen Zeit gleichberechtigt. Die
Rangerhebung eines Ratsherrn, ablesbar an der Be-
zeichnung ,Ratsmeister', ist in Urkunden, die von
der Stadt selbst ausgestellt wurden, erst 1342 greif-
bar21), das geläufigere Wort,Bürgermeister“ gar erst
147722). Dieser Vorrang hat keine rechtlichen oder
politischen Konsequenzen, sondern war reiner
Ehrentitel.23) In den Rechnungsbüchern der Stadt
werden bei der Aufzählung der Ratsmitglieder ein-
zig die Kämmerer durch die Benennung ihres Auf-
gabengebietes herausgehoben.24) Ein Vogt, also der
Vertreter des Herzogs in der Stadt, der als wichtig-
ste Aufgabe das Gericht leitet, erscheint 1257 zu-
sammen mit einem Vizevogt und alleine noch ein-
mal 1261.25) 1266 bekleidete dieses Amt der Ritter
Heidenreich — respektvoll wird er in der Urkunde

noch vor den Ratmannen und der Gesamtheit der
Bürger genannt.26) Überhaupt scheinen um diese
Zeit mehrere Angehörige des Ritterstandes in der
Stadt gewohnt zu haben; 1261 werden in einer Zeu-
genliste allein fünf von ihnen genannt.27)
In der Folgezeit erweiterten die welfischen Her-
zöge mehrfach die Rechte und Freiheiten der Stadt.
Besonderes Augenmerk verdient die Urkunde Her-
zog Heinrichs II. 1314, in der er verspricht, ohne
Zustimmung der Ritter, Knechte und Bürger keine
Befestigung binnen einer Meile Weges zu bauen,
die Bürger innerhalb und außerhalb der Stadt in
ihren Rechten zu belassen, sie in allen seinen Befe-
stigungen („sloten“) von Zoll und Geleit frei zu hal-
ten, ihnen den Lindenberg und den Westerborn
frei zu überlassen, den Juden, die sich mit seiner
Zustimmung in der Stadt aufhalten, das Bürgerrecht
weiterhin zu gewähren. Das Gerichtsstandprivileg
der Bürger wird gegenüber dem Stadtrecht aus-
geweitet: nunmehr dürfen alle Bürger nur noch vor
dem herzoglichen Richter in der Stadt angeklagt
werden.28) Mehrere Male bestätigten die welfischen
Herzöge in den kommenden Jahrzehnten dieses
Privileg; mehrfach beurkundeten sie zudem ein
Schutzversprechen für die Stadt.29) Teilungen und
Vereinigungen des Besitzes an der Stadt, die inner-
halb des Herzogshauses einige Male vorgenommen
wurden und die die Besitzgeschichte Duderstadts
etwas unübersichtlich gestalten, können hier außer
Betracht gelassen werden, da sie in das innere Ge-
füge der Stadt nicht eingriffen.
Die notorische Geldknappheit der Welfen30) gab
der Stadt Gelegenheit, landesherrliche Gerecht-
same durch Kauf zu erwerben. Dazu gehörten in
erster Linie Abgaben, die die Stadt zu entrichten
hatte. Zu nennen ist die Bede, die 1312 60 Mark be-
trug, die Ratsherren und die Gesamtheit der Bür-
gerschaft ,seit alten Zeiten’ jährlich zu zahlen hat-
ten, und von der Herzog Heinrich einen Jahresbe-
trag dem heiligen Lande schenkt.31) Zahlungstermin
ist der Martinstag (11. November).32) Einen Teil
der Bede, nämlich 23 Mark und ein weiteres Mal
13 Mark verkauften Heinrich II. und seine Gemah-
lin 132233), einen weiteren für 42 Mark.34) Die Ge-
samtlast der Bede, so wurde es 1324 festgelegt, sollte
den Betrag von 70 Mark nicht überschreiten35), hatte
sich also gegenüber 1312 um 10 Mark erhöht. Sie
wurde von der Stadt nicht immer pünktlich entrich-
tet.36) Heinrich II. verpfändete 1315 eine andere Ab-
gabe, den Zehnten (der als Feld- oder Fruchtzins
das außerhalb der ummauerten Stadt gelegene Ge-
biet betraf) der Stadt für 99 Mark auf 4 Jahre.37) Die
Herzöge Ernst und Wilhelm verkauften 1329 die
gleiche Abgabe der Stadt diesmal über drei Jahre
und für 30 Mark.38) Der schon mehrfach genannte
Herzog Heinrich II. und seine Gemahlin Jutta ver-
äußerten 1322 den Zoll „myt alleme rechte, daz wir
haben in der selben unser stad zu Duderstat“ für

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