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Das Rathaus in Duderstadt — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 6: Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.57465#0064
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HORST MASUCH

baues aufgenommen und nicht die etwas höhere
43 des Saalbaues. In der Grundfläche füllte der Neu-
bau nicht die gesamte Ecke zwischen Salzkammer-
anbau und Saalbau aus, sondern blieb mit seiner
Ostfront um etwa 2,75 m hinter der Ostfront des
38 Saalbaues zurück. Dagegen überschritt er in seiner
39 Nordsüdausdehnung den älteren Anbau um fast
40 das Doppelte. So entstand ein langrechteckiges Ge-
bäude, dessen lichte Untergeschoßfläche exakt aus
zwei Quadraten mit einer Seitenlänge von 5,60 m
zuzüglich einem diese Quadrate trennenden Gurt-
bogen von 0,35 m Breite bestand. Die oberste Ge-
schoßdecke wurde anscheinend gleich auf die
Höhe derjenigen des benachbarten Raumes gelegt,
ob das aber die ursprüngliche Situation ist, ließ sich
nicht überprüfen. Die unterste Geschoßdecke
wurde so hoch gelegt, daß darunter ein übermäßig
hoher Raum für den Ratsweinkeller entstand, das
41 Zwischengeschoß darüber dagegen überraschend
niedrig wurde. Die beiden unteren Geschosse sind
mit je vier Kreuzrippengewölben eingewölbt, die
sich im Untergeschoß in Raummitte auf kräftige
109 Gurtbögen und einen achteckigen Pfeiler stützen.
Im mittleren Geschoß übernehmen zum Teil mas-
sive Innenwände die Funktion der Gurtbögen und
des Pfeilers. Die Decke über dem obersten Ge-
schoß wird wohl von vornherein eine Balkendecke
gewesen sein.
Von den acht Schlußsteinen der Gewölbe in bei-
den Geschossen sind nur zwei mit einer halbplasti-
schen Darstellung dekoriert. Im südwestlichen Ge-
wölbe des Untergeschosses trägt der Schlußstein
auch hier das Wappen des Mainzer Erzbistums mit
99 dem silbernen Rad auf rotem Feld, und im südöstli-
chen Gewölbe ist auf dem Schlußstein die aus dem
Alten Testament (4. Moses 13,24) bekannte Szene
mit Kaleb und Josua, die als Kundschafter mit einer
110 Weintraube aus Kanaan zurückkehren, dargestellt.
Eine begleitende Inschrift auf dem Stein ist nicht
mehr lesbar. Dieses für einen Ratsweinkeller sicher-
lich sehr passende Motiv ist für einen profanen Ort
sehr ungewöhnlich, vielleicht für diese frühe Zeit
sogar einmalig. Alle bisher bekannten, zeitgleichen
Darstellungen der beiden Kundschafter stammen
aus dem kirchlichen Bereich. Überraschend ist, daß
das Duderstädter Stadtwappen auf keinem Schluß-
stein angebracht wurde.
Von der ursprünglichen Ausstattung dieses Neu-
baues hat sich — wie auch in allen anderen Räumen
— bis in die Gegenwart nichts erhalten. Lehm-
122 grübner stellte in seinen Teilzeichnungen (Tafel 12,
Fig. 13) noch einen Kamin dar, der aus der Erbau-
ungszeit stammen könnte. Der Kamin stand nach
seiner Grundrißzeichnung im Obergeschoß an
einer Trennwand, die einen kleineren Vorraum von
der Ratsstube trennt. Allerdings ist der Kamin
nicht in der Ratsstube, sondern im Vorraum aufge-
stellt. Die Trennwand ist an der Stelle, wo die Wen-

deltreppe etwas in den Raum vorspringt, auch in
älteren Zeichnungen enthalten. Auf den Zeichnun-
gen ist weiterhin zu erkennen, daß der Kamin nur
noch als Feuerloch für einen in der Ratsstube ste-
henden Ofen benutzt wurde. Ursprünglich wird
der Kamin aber doch wohl in der Ratsstube aufge-
stellt gewesen sein.
Der Hauptzugang zu diesem Rathausneubau
war das Portal am Gropenmarkt, von dem aus der 44
Besucher zuerst fast eine Geschoßhöhe in den kel-
lerartigen Raum hinuntersteigen mußte, ehe er
über eine interne Wendeltreppe die übrigen Ge-
schosse erreichen konnte. Die Wendeltreppe ist
nicht — wie beim älteren Bauteil — in die Raum-
ecke beim Saalbau angeordnet, sondern in der
Außenwand etwas abgerückt. Hier könnte das im
unteren Geschoß noch vorhandene Eckmauerwerk
der ersten Kaufhausplanung eine dem Salzkammer-
anbau vergleichbare Lösung verhindert haben.
Auch ist die Wendeltreppe stärker in die Mauer hin-
eingezogen, und der außen vorstehende Teil ist der
Treppe folgend gerundet. In diesem Bau hat das
oberste Geschoß ebenfalls — wie der benachbarte
Raum über der Salzkammer — eine Verbindung
über eine Schlupftür zum Saal über der Kaufhalle,
die aber schon zur Zeit des Vorgängerbaues exi-
stierte. Dagegen konnte der ehemalige Zugang von
der Kaufhalle in das alte Rathaus nicht weiter ge-
nutzt werden, weil er jetzt vom Gewölbe über-
schnitten wurde.
Nicht alle Fenster des Neubaues haben sich bis in 43
die Gegenwart unverändert erhalten. Die Fenster 44
des Untergeschosses scheinen alle vergrößert und
das Fenster auf der Ostseite zusätzlich eingebro-
chen worden zu sein. Im Zwischengeschoß sind die
schmalen einteiligen Maßwerkfenster noch im Ori-
ginalzustand. Im obersten Geschoß sind zum ersten
Mal an Stelle von Maßwerkfenstern rechteckige
Fenster verwendet worden. Auf der Ostseite gab es
rechts neben dem niedrigen, zweiteilig gekuppelten
Fenster über dem Treppenturmdach ein gleicharti-
ges, das 1901 zusammen mit dem darunter angeord-
neten Fensterschlitz zu einem größeren zusammen-
gefaßt wurde. Die Ansichtszeichnung von Lehm- 115
grübner und ein Foto zeigen noch den ursprüngli- 91
chen Zustand. Das südliche größere Fenster ist
jetzt auch ein zweiteiliges gekuppeltes Fenster,
doch zeigen eine sehr niedrige Steinschicht, die in
seinem oberen Drittel auch in das Gewände ein-
schneidet, und eine Unterbrechung in gleicher
Höhe im Fensterpfosten, daß hier ein ehemals vor-
handener Kreuzstock herausgestemmt worden ist.
Das benachbarte Fenster mit einem reich dekorier-
ten Gewände ist gleich groß und trägt im Sturz die
Jahreszahl 1574. Wahrscheinlich ist in diesem Jahr 149
aber kein Fenster zusätzlich eingebrochen worden,
sondern ein vorhandenes wurde nur modernisiert
und bereichert. Ein Ausgabenbeleg von 1574 nennt

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