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Das Rathaus in Duderstadt — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 6: Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.57465#0207
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BILDSCHNITZER ANDREAS GEORG KERSTEN

218

Das Duderstädter Rathaus barg eine Kapelle mit
einem Altar, den der Rat der Stadt bereits im 14.
Jahrhundert gestiftet hatte und der dem hl. Mauri-
tius geweiht warn). Der Altar wurde 1683 noch er-
wähnt, das Patrozinium des hl. Mauritius war noch
lebendig12^. Dieser Heilige wird als Krieger darge-
stellt, mit Rüstung und Helm, seit dem 15. Jahrhun-
dert auch mit bloßem Haupt oder Barett13). Er hält
in der Rechten eine Fahne oder Lanze und mit der
Linken einen Schild, bisweilen auch ein Schwert.
Ein Zepter als Attribut der Rechten kommt eben-
falls vor. Ferner kann Mauritius als Mohr darge-
stellt sein, als Hinweis auf seinen Lebensweg als
Hauptmann der Thebäischen Legion. Der Krieger
am Treppenaufgang des Duderstädter Rathauses ist
gerüstet in antiker Tracht und trägt einen Helm.
Ein Schwert hängt an seiner linken Seite. Möglicher-
weise war die Einbindung der Figur als Bauplastik
der Grund für die sparsame Kennzeichnung mit
Attributen, die Rekonstruktion der Originalfas-
sung nach dem Pigmentbefund bestätigt im nach-
hinein unsere Deutung. Die Intensität des Inkarna-
tes kennzeichnet den Krieger als südländisch oder
dunkelhäutig. So kann in dem geschilderten Zu-
sammenhang nur der hl. Mauritius charakterisiert
worden sein.
In der Kreisstadt Jüterborg im Bezirk Potsdam
zierte ein Mauritiusstandbild aus dem Jahre 1506
die Nordostecke des Rathauses, ein Hinweis dar-
auf, daß Mauritius an diesem städtischen Ort
durchaus vorkommen konnte14). Neben dem Patro-
zinium der Kapelle spricht auch die geographische
Lage Duderstadts für eine Deutung der Figur als
Mauritius. In Mitteldeutschland ging die Mauritius-
verehrung von dem Zentrum Magdeburg aus, des-
sen Patron er war15). Mauritius war der politische
Heilige der Ostkolonisation, die Reformation be-
deutete hier einen deutlichen Einschnitt für die
Heiligenverehrung im östlichen Zentrum des Mau-
ritiuskultes16). Seine Präsentation an solch hervor-
gehobener Stelle in Duderstadt mag daher nicht
nur eine eigenständige Entscheidung des Rates für
den Heiligen der Rathauskapelle gewesen sein, son-
dern könnte auch politisch motiviert sein und als
Demonstration der Rekatholisierung gewertet wer-
den, denkbar in dem geistigen Klima am Ende der
Regierungszeit des Mainzer Kurfürsten Johann
Philipp von Schönborn17).
Die beiden Frauenfiguren sind unterschiedlich
deutlich in ihrer Aussage. Als einzige rundplasti-
sche Freifigur des Ensembles erwartet eine Frau
mit Schwert und Waage den Treppensteigenden. Sie
trägt einen engen Panzer, der Leib, Brust und Rük-
ken nachzeichnet, über kurzem Rock und gerafften
kurzen Ärmeln und unter diesem Rüstungskostüm
ein langes Gewand mit langen Ärmeln. Reizvoll ist
der Gegensatz zwischen glattem, punziertem Pan-


217 Innenseite Mauritiusbogen.

218 Frauenbogen.


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