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Fenger, Ludvig Peter
Dorische Polychromie: Untersuchungen über die Anwendung der Farbe auf dem dorischen Tempel (Text) — Berlin, 1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.3957#0035
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— 33 —

den senkrechten Flächen. "War der Abacus blau mit zwei weissen oder goldenen Strichen, oder weiss
zwischen zwei rothen (?) Strichen, und hatte der Fries nicht eine Decoration entweder mit Palmetten oder
gemalten Bosetten, wie wir sie von dem sogenannten Heroon in dem Stadion von Messene plastisch kennen?
Der Parthenon hat das Antencapitäl um einen Eierstab unter dem Kymation bereichert. Es liegen
keine Angaben über Farbenspuren vor. Machte man, ähnlich dem Antepagment von Metapont, die Eier
und Perlen golden, würden sich diese zu den rothen und blauen Blättern des Kymation und zu dem wahr-
scheinlich blauen Halse oder Friese gut machen. Die Farbe an den Antencapitälen der Propyläen ist
besser erhalten, namentlich in den Fenstern des nördlichen Flügels. Sie sind in verschiedener Weise
von Wilson*) und Landron**) restaurirt.

IV.

Die Farbe an den Sculpturen.

Wenn unsere in dem Vorhergehenden ausgesprochene Annahme richtig ist: dass die Decoration
des dorischen Tempels ursprünglich nicht auf Sculpturen in den Metopen berechnet war, sondern dass
die letzteren entweder ganz weiss gelassen waren oder farbigen gemalten Schmuck auf weissem Grunde hatten,
so entsteht also die Frage, ob Sculpturen in diese ältere Decoration eingeführt werden können, ohne ihre
Harmonie zu stören, oder welche Farbenanwendung wir an diesen Sculpturen voraussetzen müssen.

Wir werden wohl bald darüber einig, dass die Figuren nicht weiss auf weissem Grunde in dem
reich gefärbten Rahmen gestanden haben können; aber wenn auch diese Möglichkeit ausser Betracht ge-
lassen wird, bleiben doch mehrere andere Möglichkeiten zurück: die Figuren können farbig vor einem
weissen oder gefärbten Grund, oder weiss, vielleicht mit ein wenig Farbe vor einem gefärbten Grund
gestanden haben. Wie schon angedeutet, hat vielleicht im Laufe der Zeit ein Uebergang von dem einen
zu dem andern Princip der Farbenanwendung stattgefunden.

Wir haben freilich hiermit von der im Anfang dieses Jahrhunderts vorwaltenden Auffassung der
griechischen Sculptur als einer farblosen schon so ziemlich Abstand genommen, einer Auffassung, die
sich einseitig auf die grosse Menge der in Italien gefundenen farblosen Marmorcopien von griechischen
oder griechisch-römischen Sculpturen stützte; und in der That wird kaum Jemand, der die Nachrichten
der Alten über akrolithe und chryselephantine Tempelstatuen, über die „circumlitio" der Statuen und die
Anwendung von Wachsfarben an diesen mit den Funden der letzten Zeiten von gemalten Tempel-
sculpturen, von gemalten Grabstelen, gemalten Terracotten, Vasen u. s. w. vergleicht, ernstlich daran
denken können, die Theorie festzuhalten, dass die Griechen zu Gunsten der reinen Form von den ältesten
bis zu den spätesten Zeiten auf die Anwendung von Farbe in Verbindung mit der Sculptur sollten ver-
zichtet haben.

Doch sind wir hiermit noch nicht darüber einig geworden, wie die Farbe bei den Figuren
der besten Zeit, die uns am meisten interessiren, angewandt wurde. Man wird bald gewahr, dass die
Frage von der Anwendung der Farbe bei den dorischen Tempelsculpturen in älterer und jüngerer Zeit,
um zu einer auch nur annähernden Lösung zu gelangen, Untersuchungen erfordert, die noch lange nicht
zu Ende gebracht sind. Unter diesen Untersuchungen ist zuerst zu nennen die schon lange in Angriff
genommene von den Anfängen der griechischen Kunst und deren möglicher Abhängigkeit von ägyptischer

») Penrose Tafel XXVI.
**) Lebas: Voy. arch. II. 6.

F eng er, Dorische Polychromie.
 
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