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Fenger, Ludvig Peter
Dorische Polychromie: Untersuchungen über die Anwendung der Farbe auf dem dorischen Tempel (Text) — Berlin, 1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.3957#0037
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— 35 —

Kunst schon hervorgehoben haben*), dass Malerei und Sculptur ursprünglich nicht getrennt waren,
sondern nebeneinander hergingen, sich gegenseitig beeinfmssten und bereicherten.

Was die Aegypter betrifft, ist ja ihre Kunst hinlänglich bekannt, um mit Bestimmtheit behaupten
zu können, dass sie nur dann auf die Farbe verzichtet haben, wo die Eigenschaften des Stoffes sie so zu
sagen dazu nöthigten, das heisst, wo sie in harten Steinarten oder Metallen arbeiteten; hier war es
wohl oft unmöglich, die Farbe auf eine solide und gediegene Weise aufzutragen. Es ist ferner eine
Thatsache, dass das ägyptische Relief in der Regel einen weissen Hintergrund hat, und dass für die
Figuren so viele Farben verwandt werden, dass sie mit Recht polychrome genannt werden können;
wenn auch die Zahl der Pigmente eine beschränkte ist, so wird doch keine von den Hauptfarben des
Spectrums vermisst. Es ist aber der farblose weisse Grund, der hauptsächlich mit der bunten Mannig-
faltigkeit contrastirt und sie beherrscht; er verleiht den ägyptischen Bildern ihre eigenthümliche Farben-
harmonie und Stimmung.

Die älteste naturalistische Darstellung erheischte also die Anwendung von zwei Kunstarten.
Zuerst musste der Künstler die Umrisse, die er gezogen hatte, plastisch ausbilden und bis zu einem gewissen
Grade für sich sprechen lassen, nachher trug er die Farben auf. War jetzt eine gewisse Wirkung durch
Plastik aliein erreicht, dann blieb man mitunter dabei stehen, oder man machte neue Versuche, wenn nicht
den Figuren einen landschaftlichen Hintergrund, so doch durch eine glatte Farbe, Blau, eine Andeutung
des Himmels zu geben. Sobald der Anfänger einen solchen Versuch wagt, wird er die Erfahrung machen,
dass er entweder dieser Farbe eine gewisse Tiefe geben muss, um die Figuren hervorheben zu können,
oder dass er mehr oder weniger die Farben der Figuren unterdrücken muss, damit die Grundfarbe (speciell
das Blau), wenn sie hell und leuchtend ist, die andern Farben beherrsche, und dadurch die nothwendige
Ruhe und Haltung erlangt werde. Es entstehen so monochrome oder oligochrome Bilder auf farbigem
Grunde, vielleicht monochrome Bilder mit oligochromischer Staffirung, um mich eines Malerausdruckes
zu bedienen. Das Gleiche gilt von malerischen Darstellungen.

Es ist zu bedauern, das unser AVissen von der Anwendung der Farbe bei assyrischen Reliefs
wie in der assyrischen Decoration überhaupt so mangelhaft ist. Flandin meint, die Reliefs seien ganz
gefärbt gewesen. Layard scheint auch eine bedeutende Farbenanwendung wahrgenommen zu haben.
Place glaubt, dass die Figuren im Ganzen weiss waren, und dass nur Augen, Haar, Franzen, Sandalen,
Waffen, Pferdegeschirr u. dgl. mit Schwarz (Weiss?), Roth und Blau bemalt waren. Von Malereien ist
uns nur ganz Unbedeutendes überliefert; wie sich die Reliefs unten an den Wänden zu den wahr-
scheinlich gewölbten Decken verhielten, und wie diese decorirt waren, mag dahingestellt bleiben. Wir
besitzen eigentlich nur die glasirten Thonplatten. An diesen treffen wir durchgängig den blauen Hinter-
grund, auf welchem die Figuren in Weiss, Fleischfarbe, Gelb, Grün und Schwarz sich abheben, ein
eigenthümlich kalter Farbenaccord, der vielleicht durch die knappe Auswahl der Glasurfarben bedingt
war, vielleicht durch die warmen Farben der Ziegelsteine seine Ergänzung erhielt. Ich gestehe, dass
ich, wenn auch die Gewänder hauptsächlich weiss mit farbigen Franzen angenommen werden müssen,
mir schwerlich das Nackte der Figuren anders als fleischfarbig denken kann. Die Bäume waren doch
wohl grün angedeutet u. s. w. Wo kein landschaftlicher Hintergrund beabsichtigt war, z. B. wo Götter
vorgestellt waren, werden wohl oft die Reliefs einen blauen Hintergrund gehabt haben. Im Palaste zu
Ohorsabad wurden beträchtliche Mengen von geriebenen blauen Farben gefunden, die sich als gestossener
Lapis Lazuli erwiesen haben, eine wohl auch in jenen Zeiten kostbare und seltene Farbe.

*) Z. B. Conze in den Sitzungsberichten der Berliner Akademie d. Wissenschaften 1882, S. 563.
 
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