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Fenger, Ludvig Peter
Dorische Polychromie: Untersuchungen über die Anwendung der Farbe auf dem dorischen Tempel (Text) — Berlin, 1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.3957#0044
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— 42 —

die Absicht, in welcher die nackten Gruppen durch drei bekleidete Figuren, Athena, Paris und Telamon.
getheilt 'sind.

Mit Hilfe der Aristionstele und der uns bekannten Vasen- und Grabgemälde lassen sich die
Farben des Giebels wenigstens annähernd feststellen.

Eine gleichartige symmetrische Farbenvertheilung scheint man für die Giebelgruppen des olym-
pischen Tempels voraussetzen zu dürfen. Der Mantel des in der Mitte der westlichen Giebelgruppe be-
findlichen Apollon war roth. Braunrothe Farbenreste finden sich an dem Haare einiger Köpfe, deren
Modellirung ja auch entschieden für Bemalung berechnet ist. Was die Metopen betrifft, hob sich, wie
schon bemerkt, der von Herakles gebändigte kretische Stier braunroth von dem blauen Felde ab.

An den Metopen des perikleischen Tempels ist eine oligochrome Bemalung der Figuren geradezu
unmöglich; wenn auch Helme und Schilde mitunter vorkommen, sind sie doch so selten, dass sie in der
Farbenvertheilung gar keine Rolle gespielt haben können. Waren die Kleider gefärbt, so vermissen wir
über die angewandten Farben jede Uebersicht; denn die vereinzelten Angaben über Meergrün und
Rosaroth haben, wenn sie auch wahr sind, für uns nur wenig Werth.

Die einzige Farbe, die sich an den Figuren fast aller Metopen durchführen lässt, wird die männliche
Fleischfarbe sein, die sich, obwohl modificirt, vielleicht auch an den Kentauren fand. Diese Farbe war
wohl durch irgend eine durchsichtige Beize hervorgebracht, das Haar braunroth oder schwarz und die
Kleider durch beliebige undurchsichtige Wachsfarben gefärbt. Dies würde zusammengenommen eine
Farbenwirkung ergeben können, wie an den griechischen Terracottafigürchen, den weissen attischen
Lekythen und den älteren griechischen Gemälden, insofern sie uns aus den Gräbern der Etrusker be-
kannt sind.

Doch gäbe eine solche Bemalung der Metopen uns die Möglichkeit, die traditionelle Decoration
des dorischen Gebälks beizubehalten, während sie zu gleicher Zeit eine neue und grandiose Entwickelung
der Plastik gewährte, dann müssten wir folglich auch die Giebelgruppen als ebenso bemalt voraussetzen;
denn die Rücksicht auf die Totalität verbietet uns, weisse Marmorgruppen in den Giebelfeldern neben
bemalten Gruppen in den Metopen zu behalten.

Unser hochverehrter dänischer Lehrer der Kunstgeschichte, Professor Höyen, welcher in diesen
Fragen gewiss keine Vorurtheile hatte, und auch nicht, so viel ich weiss, die eine oder die andere extreme
Ansicht von der antiken Polychromie verfocht, hat mir einmal, als wir hierüber sprachen, gegen eine
totale Bemalung der Giebelgruppen den Einwand gemacht, dieselben erschienen ihm so componirt,
dass der Künstler durch die Form eine vollständig malerische Wirkung erreicht hatte und darum der
Farbe nicht bedurfte. Es scheint mir, dass diese ganz richtige Charakteristik der Giebelgruppen
sich ebenso wohl zu Gunsten der Bemalung anführen lässt: hat der Künstler in der Composition das
Malerische, das Starkbewegte, das Tiefunterschnittene, das Effectvolle gewollt, dann wird ja die Farbe,
mit gehörigem Takte angewandt, eben diese Wirkung unterstützen können, die man hervorzubringen
wünschte.

Etwas mehr Bedenken erregt der Fries. Ich meine, dass über die gänzliche Färbung der
architektonischen Glieder, die denselben oben und unten abgrenzen, nur wenig Zweifel obwalten kann.
Dass der Grund blau war, scheint auch so ziemlich festzustehen, aber zu einem vollständig bemalten
Friese würde der glänzende architektonische Rahmen nicht eben besonders gut aussehen. Eine malerische
Wirkung, wie in den Metopen und noch mehr in den Giebelgruppen, ist ja in dem Fries nicht angestrebt; wir
haben hier das Relief in seiner grössten Strenge: die Fläche, die das Kunstwerk einnimmt, wird keinen
 
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