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Polska Akademia Umieje̜tności <Krakau> / Komisja Historii Sztuki [Hrsg.]; Polska Akademia Nauk <Warschau> / Oddział <Krakau> / Komisja Teorii i Historii Sztuki [Hrsg.]
Folia Historiae Artium — NS: 11.2007(2008)

DOI Artikel:
Boesten-Stengel, Albert: Himmelfahrt und Höllensturz?: Bilderfindung und Typengeschichte in Michelangelos Jüngstem Gericht
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https://doi.org/10.11588/diglit.20622#0033
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Folia Historiae Artium
Seria Nowa, t. 11: 2007
PL ISSN 0071-6723

Albert Boesten-Stengel

Himmelfahrt und Hóllensturz?
Bilderfindung und Typengeschichte
in Michelangelos Jungstem Gericht*

Michelangelo yerlieh dem bis dahin doch iiber-
wiegend streng hierarchisierten Bild des Jiingsten
Gerichts auBergewohnliche Dynamik (Abb. 1).
Dies erkannte in ihrem betreffenden Vortrag von
1933 Grafin Karolina Lanckorońska, wenn sie den
Kiinstler ais einen ebenbiirtigen Zeitgenossen von
Kopernikus’ De revolntionibus apostrophiert1. Schier
uniibersehbar sind die Drehungen und Wendungen,
das Auf und Ab, Vor und Zuriick der Figuren, und
doch scheint alles einer erhabenen Choreographie
zu folgen.

Der Kunsthistoriker Charles de Tolnay brachte
die Mannigfaltigkeit — in seinem Essai d’interpretation
von 19402 — auf den Nenner von zwei Hauptbe-
wegungen, dereń gemeinsames Scharnier er in der
zentralen, zwischen Himmel und Erde angesiedelten
Gruppe der Engel mit den Posaunen und Buchern
ausmachte: den Aufstieg der Erwahlten links, den
Sturz der Verdammten rechts. Beide Bewegungen
yereinigen sich fur ihn zu einer fast kreisenden
Gesamtform, die er ais Rad der Fortuna bezeichnet.

* Vortrag, gehalten am 6. April 2006 vor der Komisja Hi-
storii Sztuki Polskiej Akademii Umiejętności, Kraków.

1 K. Lanckorońska, Appunti sulla interpretazione del
Giudizio JJniversale di Michelangelo, Annales Institutorum quae
provehendis humanioribus disciplinis artibusąue colendis
a variis in urbe erecta sunt nationibus, 5: 1932/33-

2 Ch.de Tolnay, Lejiigement dernier de Michel-Ange. Essai
d’interpretation, Art Quarterly, Spring 1940, S. 125-147.

3 Vgl. dagegen R. Feldhusen, Ikonologische Studien zu
Michelangelos ,,Jungstem Gericht”, Unterlengenhardt-Bad Lie-
benzell 1978, S. 80ff. Sie folgt de Tolnays Auffassung von der
Genese des sixtinischen Gerichtsbildes, teilt aber nicht dessen
paganistische Deutung (S. 83): „Indem die antiken Vorstel-
lungen sich mit christlichen verbinden, bringen sie nicht mehr

Nach de Tolnay driickt sich darin eine tragisch-
fatalistische Umdeutung des christlichen Themas
aus, die aus der Beschaftigung und personlichen,
Identifikation des Kiinstlers mit antiker Mythologie
erwachsen sei. Hierfiir stehe die Serie gezeichneter
Bilderfindungen zu mythologisch-allegorischen The-
men, die Michelangelo in den 1530er Jahren dem
romischen Adligen Tommaso de’Cavalieri schenkte,
darunter besonders der sogenannte Starz des Phaethon
(Abb. 2). Die Idee des fatalen gottlichen Strafge-
richts habe der Kunstler, wie auch eine friihe Skizze
bezeuge, unmittelbar hieraus entwickelt3.

De Tolnays Vergleich mit dem Rad der Fortuna
und seine damit yerbundene Vorstellung unabwend-
barer Zwangslaufigkeit fand nachfolgend keine
allgemeine Zustimmung4. Doch ubernehmen noch
neueste Beitrage der Michelangelo-Forschung seine
gleichermaBen formale wie ikonographische Bestim-
mung des mittleren Bereichs zwischen Himmel und
Erde. Himmelfahrt der Erwahlten und Hóllensturz
der Verdammten5. Trifft sie aber wirklich den an-

Antikes ais solches zur Darstellung, sondern sie werden Funk-
tionstrager christlicher Gehalte”.

4 H. v. Einem, [Besprechung von] Charles de Tolnay, Mi-
chelangelo, V: The Finał Period, Princeton 1960, Zeitschrift fur
Kunstgeschichte, 25: 1962, S. 80—85, hier S. 82.

5 Aus der reichen Literatur nenne ich hier nur ais Beispiel

L. Partridge, Michelangelo’s „hastJudgement”. An Interpre-
tation [in:] L. Partridge, F. Mancinelli, G. Colalucci,
Michelangelo: the Last Judgement. A Glorious Restoration, New
York 1997; M. Rohlmann, Michelangelos ,Jiingstes Gericht”
in der Sixtinischen Kapelle. Zu Themenwahl nnd Komposition [in:]

M. Rohlmann, A. Thielemann (Hrsg.), Michelangelo. Neue Bei-
trage, Miinchen—Berlin 2000, S. 205—234, hier S. 205—209;
H. Chapmann, Michelangelo Drawings: Closer to the Master,
London 2005, S. 231.

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