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Plattner, Georg A.; Quatember, Ursula; Hanslmayr, Regina; Aurenhammer, Maria; Universität Wien [Hrsg.]
Die Skulpturen von Ephesos: Bildwerke aus Stein (Band 10,2): Die Skulpturen von Ephesos: Die Hermen — Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48538#0066
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66

B Körperhermen

Seit späthellenistischer Zeit wurden Hermen als figürliche Dekoration architektonischer Pfei-
ler eingesetzt. Bekleidete Körperhermen des Herakles und des Hermes schmücken alternierend
die Pfeiler der >Hermenportikus< von Kyrene (Anhang Kat. 34). Die 56 je 2,5 m hohen, aus mehre-
ren Blöcken zusammengesetzten Hermenpfeiler stehen im oberen Bereich der Fassade zwischen
großen Fensteröffnungen. Die Hermeshermen sind eng in einen Mantel gewickelt und haben ein
jugendliches Gesicht mit Locken, Herakles hingegen ist in sein Löwenfell gehüllt und bärtig. Die
Hermenportikus gehörte zu der angrenzenden - inschriftlich als »Caesareum« bezeichneten - Pa-
lästra, als deren gedeckte Laufbahn (Xystos) sie diente382. So zeigt sich auch hier wieder die enge
Verbindung von Hermes- und Herakleshermen mit dem gymnasialen Bereich.
Etwa zeitgleich, nämlich im dritten Viertel des 1. Jahrhunderts v. Chr., erscheinen erstmals
Darstellungen gebälktragender Hermen in der pompejanischen Wandmalerei. In der Kryptopor-
tikus der Casa del Criptoportico (Pompeji I 6,2) stützen gemalte Schulterhermen - allesamt Ver-
treter des dionysischen Thiasos - ein vorkragendes Gesims383. Im Oecus Triclinaris desselben
Hauses fungieren gemalte Körperhermen - musizierende Satyrn, Mänaden und Silene darstel-
lend - als Gebälkträger384.
In der Architektur der römischen Kaiserzeit sind figürliche Stützen generell sehr gebräuchlich
und wurden besonders im 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. häufig verwendet385; dies gilt auch für die
mit Hermen geschmückten Pfeiler386.
Der Darstellungskreis der monumentalen Hermenpfeiler umfasst den bärtigen387 und den bart-
losen Herakles (B7a. b), Hermes388, Eros (B9) und Satyr389. Die gemalten Hermenstützen an pom-
pejanischen Wänden gehören fast ausnahmslos dem dionysischen Kreis an390.

382 S. Stucchi, II Portico delle erme di Cirene, BdA44, 1959, 60.
383 Spinazzola 1953, 488-503 Abb. 557-565 Taf. 20; Beyen 1960, 106 f. Abb. 39-41; Schmidt-Colinet 1977, 267 f.
P7b. Zur Casa del Criptoportico s. Coarelli 1997, 258-264, bes. 259.
384 Spinazzola 1928, Taf. 94; Spinazzola 1953, Abb. 557. 569-577. 583 Beil. 8. 9 Taf. 21-23. 26. 27; Beyen 1960,
99-102 Abb. 32-35; Schmidt-Colinet 1977, 267 f. P7a; Wrede 1985, 65. s. auch Coarelli 1997, 263; 254 Abb. 38
zur Lage des Oecus Triclinaris (als »i« gekennzeichnet). Weitere gemalte Hennenpfeiler: Satyr im sog. kleinen
Atrium der Casa del Menandro (Pompeji I 10,4), Beyen 1960, 144 f. Abb. 56. 59. 61 a; Schmidt-Colinet 1977, 267
P5b. Allgemein zur Casa del Menandro s. Coarelli 1997, 227-240, bes. 232. Weibliche, geflügelte Körperhennen
im Hause des Caesius Blandus (Pompeji VII 1,40; Oecus 12), Spinazzola 1928, Taf. 133; Spinazzola 1953,
Abb. 566; Beyen 1960, 242-247 Abb. 97. 98; Schmidt-Colinet 1977, 267 Nr. P6; Wrede 1985, 65.
385 Allgemein zu römischen Pfeilerfiguren: P. Hommel, Studien zu den römischen Figurengiebeln der Kaiserzeit (Ber-
lin 1954) 68 f; L. Guenini, >Las Incantadas< di Salonico, ArchCl 13, 1961, 62 f; Schmidt-Colinet 1977, 95-99
(Exkurs: Pfeiler- und Relieffiguren); Fuchs 1987, 128-132; Schmidt 1982, 129-134; Palagia 1989, 125 f. Zur
Herkunft der figuralen Stützen s. F. Schaller, Stützfiguren in der griechischen Kunst, Dissertationen der Universität
Wien 97 (Wien 1973); Fuchs 1987, 128.
386 Hennen konnten aber auch, ohne mit einem Pfeiler verbunden zu sein, als architektonische Stützen verwendet
werden: Im >Markttheater< (auch >Sinesius-Theater<) von Kyrene trugen wiederverwendete Doppelhennen des
jugendlichen Hennes das Pulpitum (R. G. Goodchild, Kyrene und Apollonia [Zürich 1971] 138 Abb. 83; Wrede
1985, 65 mit Lit.). - Im Odeion des Agrippa in Athen standen 17 Hennen an der Vorderseite des Pulpitums: Hani-
son 1965, 139 f. 169-171 Nr. 219-225 Taf. 59; Schmidt 1982, 136 f. - Allgemein zu Hennen in architektonischer
Verwendung: Schmidt 1982, 135-137; Wrede 1985, 63-65.
387 Hennenportikus von Kyrene s. o. und Anhang Kat. 34. Herakleshennenpfeiler aus Amitemum: Fuchs 1987, 60
Nr. AI 1.2; 131 Taf. 19, 1. 2; Palagia 1988, 781 Nr. 1108; Vorster 1988, 34 Nr. 55, Palagia 1989, 126. Pilaster mit
dem Relief einer Herakleshenne aus der Unterstadt von Troja, 2. Jh. n. Chr., Istanbul, Archäologisches Museum
Inv. 4: Palagia 1988, 781 Nr. 1106; Vorster 1988, 34 Nr. 53 Abb. 33. Sieben Hennenpfeiler des mit dem Löwenfell
bekleideten Herakles aus Sparta: Palagia 1988, 781 f. Nr. 1109-1111; Vorster 1988, 34 Nr. 56-57 Abb. 34-35;
Palagia 1989.
388 Hennenportikus von Kyrene s. o. und Anhang Kat. 34.
389 Istanbul, Archäologisches Museum Inv. 4506 und 4507, aus Kyzikos. P. Devambez, Deux Piliers decores trouves
a Cyzique, RA 1937, 176-194 Abb. 1-5; Abb. 6 zu einem Exemplar in Liverpool; Schmidt-Colinet 1977, 96;
Schmidt 1982, 130 Taf. 33, 2; Palagia 1989, 127 mit Amn. 129.
390 s. o.
 
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