Metadaten

Plattner, Georg A.; Quatember, Ursula; Hanslmayr, Regina; Aurenhammer, Maria; Universität Wien [Hrsg.]
Die Skulpturen von Ephesos: Bildwerke aus Stein (Band 10,2): Die Skulpturen von Ephesos: Die Hermen — Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48538#0013
Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Keine Bearbeitung
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
13

A SCHULTERHERMEN
A.l Terminologie - Entwicklung - Ikonografie und Benennung
Schulterhermen sind Pfeiler mit anthropomorphem Kopf9. Den Übergang vom Kopf zum Pfeiler
bildet eine Büste, der sog. Hermensturz. Auf der Vorderseite ist in archaischer Zeit ausnahmslos
ein erigierter Phallus angebracht, ab klassischer Zeit kann der Phallus auch schlaff dargestellt
oder zur Gänze weggelassen sein - besonders häufig bei Schulterhermen römischer Zeit. In die
Nebenseiten sind meist rechteckige, in manchen Fällen auch runde Armstümpfe eingelassen oder
angearbeitet. In der Kaiserzeit kommen vereinzelt auch plastische Armansätze vor.
Die ältesten erhaltenen Schulterhermen stammen aus der Archaik. Lange galten jene Her-
men, welche Hipparch in der Wegmitte zwischen den Demen Attikas und der Stadt Athen Ende
des 6. Jahrhunderts v. Chr. aufstellen hatte lassen, als die ältesten erhaltenen Denkmäler dieser
Gattung. Von einer dieser hipparchischen Hermen, die sich durch Inschriften auf dem Pfeiler
auszeichnen, hat sich im attischen Koropi ein Fragment ohne Kopf erhalten10. Älter ist die
Herme von Sunion, welche in das erste Viertel des 6. Jahrhunderts v. Chr. datiert wird. Auf der
Vorderseite des Schaftes ist dominant der erigierte Phallus dargestellt, der Kopf zeigt ein bärtiges
Gesicht mit wellig zur Seite gestrichenem Haupthaar und Binde11.
Im 5. Jahrhundert v. Chr. erfuhr die bärtige Hermesherme eine erste Blütezeit. Dies zeigt sich
sowohl in der Vasenmalerei, in welcher Hermen häufig im Kultzusammenhang abgebildet sind,
als auch in der monumentalen Steinskulptur12.
In der archaischen und klassischen Epoche stellten bärtige Hermen wohl ausnahmslos Hermes
dar. Diese Annahme stützt sich auf die Tatsache, dass in der Vasenmalerei häufig ein Kerykeion
auf den Hermenschaft gemalt ist13. Zudem unterscheidet die griechische Sprache nicht zwischen
»Herme« und »Hermes«, sowohl der Gott als auch sein pfeilerförmiges Kultbild werden mit dem
Begriff »Hermes« bezeichnet14. Erst der Zusatz T8Tpayovov o%fjpa macht deutlich, dass es sich
um eine Herme handelt (z. B. Paus. 2, 10, 7; 4, 33, 3; 7, 27, 1; 8, 39, 6).
In der Forschung wurde jedoch immer wieder versucht, einzelne Hermen archaischer und
klassischer Zeit mit Dionysos zu identifizieren, zumal sich die Ikonografie beider Götter in
ihrer Erscheinungsform als alte, ehrwürdige Olympier mit langem Bart und z. T. langem Haupt-
haar gleicht. Zudem existiert auch für Dionysos eine anikonische Darstellungsweise ähnlich der
Herme, der sog. Maskenpfeiler15. Während aber viele Hermen entweder durch ein aufgemaltes
Kerykeion (in der Vasenmalerei) oder durch eine Inschrift (bei rundplastischen Hermen) als
Pfeilermale des Hermes ausgewiesen sind, ist es in keinem einzigen Fall möglich, eine Herme

9 Zur Definition s. Wrede 1985, 2; Brahms 1994, 104; Rückert 1998a, 28 f. - Zum Ursprung der Schulterhenne
sowie zur etymologischen Herleitung von »Hennes« und der Verbindung mit »Steinhaufen« s. Rückert 1998a,
10-18. 25-28 (mit älterer Lit.) und W. Burkert, Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche
2(Stuttgart 2011) 241.
10 Rückert 1998a, 57-67 mit ausführlicher Bibliografie.
11 Athen, Nationalmuseum Inv. 4868. Rückert 1998a, 55-57. 228 Nr. 1 Abb. 1 (mit Lit.).
12 Hennen in der Vasenmalerei des 5. Jhs. v. Chr.: P. Zänker,Wandel der Hennesgestalt in der attischen Vasenma-
lerei (Bonn 1965) 91-103; Siebert 1990, 301 Nr. 92-101. 103-106; 302 f. Nr. 108-109. 114. 118-125; 303
Nr. 129-132. 135-137. 139; 404 Nr. 141-150. 153-155; 305 Nr. 160-168. 170-173; 306 Nr. 179; Rückert
1998a, 239-270 (Anhang III Vasendarstellungen). - Rundplastische Hennen: Willers 1975, 34-38; Siebert 1990,
296 f. Nr. 20-28; Brahms 1994, 107-113 (s. Listen in Anm. 421 und 430); Rückert 1998a, 67-76. 80-87.
95-103. 228 (Anhang I Liste der Hennen); Krämer 2001, 110-113.
13 Siebert 1990, 301 Nr. 100; 302 Nr. 114. 123; 303 Nr. 132. 135. 136a; Rückert 1998a, 250 Nr. 70 Abb. 6.
14 Rückert 1998a, 10-13. 25; Krämer 2001, 1.
15 F. Frontisi-Ducroux, Le dieu-masque (Paris 1991) mit einem Überblick zur Forschungsgeschichte und weiterer
Lit.; vgl. auch Rückert 1998a, 27 mit Anm. 27.
 
Annotationen