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Plattner, Georg A.; Quatember, Ursula; Hanslmayr, Regina; Aurenhammer, Maria; Universität Wien [Hrsg.]
Die Skulpturen von Ephesos: Bildwerke aus Stein (Band 10,2): Die Skulpturen von Ephesos: Die Hermen — Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48538#0014
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14

A Schulterhermen

mit bärtigem Götterkopf eindeutig als Dionysos zu identifizieren16. Selbst Efeu und Weinlaub
sind bei einer Herme kein sicherer Hinweis auf Dionysos, da bereits ab dem 5. Jahrhundert v.
Chr. Hermeshermen - eindeutig zu erkennen durch das am Schaft angegebene Kerykeion - im
dionysischen Thiasos vorkommen17. Gesicherte Dionysoshermen sind hingegen erst ab dem
späten Hellenismus bekannt18.
Als römische >Weiterentwicklung< der Schulterherme könnte man die ab dem 1. Jahrhun-
dert v. Chr. auftretenden Doppelhermen bezeichnen. Dabei handelt es sich um die Kombination
zweier Hermenbüsten auf einem gemeinsamen Schaft19.
In Abschnitt A werden Schulterhermen behandelt, die vornehmlich lebensgroß oder leicht
unterlebensgroß20 und in ikonografischer Hinsicht verwandt sind21. Sie tragen mehrheitlich einen
bärtigen Götterkopf, dessen Haar- und Barttracht motivisch auf die griechische Klassik zurück-
greift (A1-A18). Die Schaftfragmente A19 und A20 können nicht zugeordnet werden, und bei
A22-A26 handelt es sich um Einzelstücke, die in einer anderen Tradition stehen.
A.2 Forschungsgeschichte der bärtigen Hernien mit klassischen Motiven
Die grundlegende Studie bärtiger Götterköpfe klassischer Zeit und ihrer kaiserzeitlichen Rezep-
tion stammt von L. Curtius22. Anhand römischer Kopien versuchte er, die klassischen griechi-
schen Originale wiederzugewinnen. L. Curtius teilte die Hermenköpfe nach der motivischen
Gestaltung ihres Haupt- und Barthaares in acht Gruppen (A-H) und erstellte für jeden Typus
(mit Ausnahme von Typus F und G) eine z. T. recht umfangreiche Replikenliste. Seine Klassi-
fizierung wurde von der Forschung großteils übernommen und fand als >Typus Curtius A-H<
Eingang in die Literatur23.
Die Kriterien, anhand derer L. Curtius seine Replikenlisten erstellte, wurden von vielen
nachfolgenden Forschern jedoch als zu weit gefasst kritisiert24. In der Tat bezeichnete Curtius
auch noch solche Köpfe als Repliken, die entweder in motivischen Details oder im Stil vom
Typus abweichen und in der heute üblichen Terminologie als »Umbildung« oder »Variante«
bezeichnet werden25.

16 Symptomatisch für die Problematik der Benennung der bärtigen Hennenköpfe sind die Beiträge von G. Siebert und
C. Gasparri im LIMC: dieselben Hennenköpfe finden sich einmal unter dem Lemma »Hennes« und einmal unter
»Dionysos« (Siebert 1990, 296 Nr. 20; 297 Nr. 36; 304 Nr. 150; Gasparri 1986, 424 Nr. 7; 443 Nr. 183; 442 Nr. 172).
Zur Identifikation s. u. a. die Zusammenfassung der verschiedenen Forschungsmeinungen bei Krämer 2001, 122.
17 Wrede 1985, 21 f.
18 Wrede 1985, 17 f. 21 f. - Zu einer bekleideten Körperhenne des Dionysos mit Kantharos auf einem römischen
Sarkophag in Princeton s. E. Simon, Dionysischer Sarkophag in Princeton, RM 69, 1962, 136-158; M. Fuchs -
C. Moss in: Padgett 2001, 148-154 Nr. 42, bes. 151 f.
19 Zur Definition: Seiler 1969, 6; Giumlia 1983, 1; H. Wrede, Rezension zu A. Giumlia 1983, BJb 184, 1984, 734;
Wrede 1985, 53; Krämer 2001, 171.
20 Mit Ausnahme des Köpfchens All, das Statuettenfonnat aufweist.
21 In Ephesos haben sich über 70 Schulterhennen aus Stein erhalten, darunter auch etliche Doppelhennen (A5. A8.
A9 und A26). Neben einzelnen Zaunhennen (Al. A5. A9), deren ehemaliger Aufstellungszusaimnenliang nicht
bekannt ist, kennen wir eine Balustrade mit fünf unterlebensgroßen Doppelhennen aus der Domus des Hanghau-
ses 1 (Dl) und eine weitere mit sieben Hennenpfeilem, die in spätantiker Zeit im Nymphaeum Traiani aufgestellt
wurde (D2). Die zwei Hennenzäune werden wegen ihrer besonderen Funktion in einem eigenen Kapitel (D)
besprochen ebenso wie die kleinfonnatigen Schulterhennen mit flacher Rückseite (C1-C35 in Kap. C).
22 Curtius 193L
23 s. z. B. Harrison 1965, 130 f.
24 So beispielsweise von Praschniker 1935, 24. E. Krämer urteilte in ihrer Studie der bärtigen Hennen, dass Curtius’
Replikenreihen den heutigen methodischen Grundlagen nicht mehr gerecht würden (Krämer 2001, 48).
25 Die hier verwendete Tenninologie stützt sich auf Hölscher 2002, 177-180; bes. 178 f. zu den Begriffen »Umbil-
dung« und »Variante«. Lit. zur Tenninologie der Kopienkritik in Auswahl: Lippold 1923, 2-4; Zänker 1974,
S. XV-XX, bes. S. XVII; C. Madema-Lauter, Polyklet in Rom, in: Beck - Boi - Bückling 1990, 329 mit weiterer
Lit. in Anm. 10. - Für eine ausführliche Darstellung der teilweise recht kontrovers verwendeten Begriffe unter
 
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