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III

durfte nicht ohne die Ergänzung bleiben, die uns die einst auf dem Marktplatze aufgestellten
Inschriftbasen an die Hand geben. Von einer besonders großen Anzahl dieser Steine, die
in byzantinischer Zeit in einen Mauerklotz an der Nordostecke des Marktplatzes verbaut
worden waren und im Jahre 1911 wieder zu Tage kamen, hat J. Keil die wichtigsten
sprachlich und geschichtlich erläutert. Sie bilden ein monumentales Archiv der politischen
und Verwaltungs-Geschichte der Provinzhauptstadt Ephesos vom I. Jahrhundert v. Chr. bis
zum Zerfall des römischen Weltreiches und lassen uns ebenso in die mannigfache Ver-
ästelung der Staats- und Stadtverwaltung, wie in alle Eitelkeiten des öffentlichen und
privaten Lebens reichste Einblicke tun.
Der Druck des vorliegenden Bandes hatte mit einzelnen Abschnitten schon vor dem
Weltkriege begonnen, die schweren Hemmungen der Kriegszeit erlaubten 1914—1918 nur
langsame Fortschritte der Arbeit. Die lähmende Not, die der Vertrag von St. Germain über
das neue Österreich brachte, verzögerte um weitere Jahre die Fertigstellung und zuletzt noch
die Herausgabe des Herbst 1921 abgeschlossenen Bandes. Über das Zeitmaß, in dem die
Fortführung der Publikation wird erfolgen können, läßt sich gegenwärtig keine Voraussage
machen, da in dem gedrosselten, aller Hilfsquellen beraubten Staate öffentliche Mittel zur
Erfüllung vordem übernommener Kulturaufgaben nur mehr in bescheidenstem Maße zur
Verfügung stehen. Was in den drei nunmehr der Öffentlichkeit übergebenen Bänden an
„Forschungen in Ephesos“ vorliegt, stellt ja nur einen Teil — gewiß weniger als die
Hälfte — dessen dar, was an Material und Studienergebnissen von dem österreichischen
Unternehmen in Ephesos heimgebracht worden ist. Weit vorgeschritten ist die Bearbeitung
der für die Kunst der späten Kaiserzeit so wertvollen Reliefs eines anläßlich der Parther-
siege des L. Verus errichteten Denkmals, die zusammen mit Aufnahmen und zeichnerischen
Wiederherstellungen der Bibliothek des Celsus und der südlich und südöstlich benachbarten
Bauwerke als Inhalt eines folgenden Bandes zunächst in Betracht kommen. Wenn bei dem
jetzt zur Vorlage kommenden Bande die Ausstattung durch die weit zurückreichenden Vor-
bereitungen und das Beispiel der vorangegangenen Veröffentlichungen vorgezeichnet war, so
muß selbstverständlich für die Folge eine wesentlich knappere und bescheidenere Art der
Wiedergabe als Notwendigkeit und Pflicht erscheinen. Hoffentlich werden Wege gefunden
werden, um nicht nur die einzelnen Fundstücke und Beobachtungen, sondern alles, was daraus
an Erkenntnissen von allgemeiner geschichtlicher Bedeutung gewonnen wurde, wenigstens in
anspruchsloser Darstellung den Fachgenossen und allen Schätzern antiker Kunst und Kultur
in absehbarer Zeit vorzulegen und nutzbar zu machen. An der Arbeitsbereitschaft und
selbstlosen Hingebung des um das ephesische Werk vereinigten Stabes von Gelehrten und
Architekten wird es auch in Zukunft nicht fehlen.

Weihnachten 1922.

EMIL REISCH
 
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