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Jobst, Werner; Österreichisches Archäologisches Institut [Mitarb.]
Die Hanghäuser des Embolos — Forschungen in Ephesos, Band 8,2: Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 1977

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https://doi.org/10.11588/diglit.52050#0108
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Hanghaus 2 - Wohnung III

Datierung, Stil und Ikonographie :
180-183 Für die Datierung gilt auf Grund der Baugeschichte und der Wandmalerei das Gleiche wie im Medusenzimmer, das heißt,
die Entstehung des Mosaikbildes liegt im zweiten Viertel des 5. Jh. n. Chr., kurz vor den um 440 bis 450 n. Chr. datierten
Fresken der 3. Schichte. Mit diesem Befund stehen auch hier der Mosaikstil und die ikonographischen Merkmale im Ein-
klang, nach denen man aus dem Vergleich mit ähnlichen Bildwerken das Emblem frühestens um die Jahrhundertwende da-
tieren könnte.
Von den zahlreichen Dionysosdarstellungen der kaiserzeitlichen Mosaikkunst muß für den stilistischen und ikonographischen
Vergleich mit 16a in erster Linie jener Bildtypus herangezogen werden, der den Gott nicht mehr als Vollfigur oder als
Hauptfigur einer größeren Komposition449, sondern in Büstenform auf ein rundes oder quadratisches Feld reduziert zeigt.
Mit dieser Darstellungsweise nähert sich Dionysos ikonographisch den Jahreszeitenbildern450. Den ältesten Vergleichs-
beispielen für den vorliegenden Bildtypus begegnet man erst zu Beginn des 4. Jh. n. Chr. in konstantinischer Zeit, und aus
dieser für die Kunstgeschichte mit vielen Umwälzungen verbundenen Periode können wir von einem sicher datierten Denkmal
ausgehen, dem um 325 n. Chr. entstandenen Dionysosmosaik in der konstantinischen Villa zu Antiochia451. In dieser Dar-
stellung konnte, natürlich unter dem Einfluß einer hochentwickelten Meisterschule, wie sie für Antiochia angenommen
werden darf, die vollplastische Wiedergabe der Büste in allen Details wirkungsvoll gelingen, während das Bild in unserem
Dionysoszimmer nur noch ein ferner Nachhall dieses hohen konstantinischen Klassizismus ist. Zur weiteren stilistischen Ent-
wicklung der Bildform hat kürzlich J. Balty452 im Zusammenhang mit einem Neufund aus Apamea am Orontes Stellung ge-
nommen. Als Vorbild des syrischen Ge- und Jahreszeitenmosaiks kann mit Recht die konstantinische Villa in Antiochia ange-
nommen werden, stilistisch indessen wurde diese Form in Apamea nicht mehr erreicht. Die Datierung Baltys453 in das dritte
Viertel des 4. Jh. n. Chr. wird man in Anbetracht der ephesischen Neufunde in H 2/D und 16a nur vorbehaltlich übernehmen
und vielleicht sogar in das letzte Viertel des 4. Jh. n. Chr. herabsetzen können. Diese Annahme ist zulässig, wenn man z. B. die
128-129 Weingartenbilder von S. Costanza in Rom berücksichtigt, deren Datierung in den späten vierziger Jahren des 4. Jh., um 350
feststeht. Dem gleichen Zeitraum wie das Apamea-Mosaik schreibt Balty einen in Sah bä (Philippopolis)454 gefundenen Boden
mit der Darstellung einer Dionysos-Ariadne-Gruppe zu, wo der Gott zwar als Vollfigur erscheint, im Kopftypus aber der
aus Antiochia bekannten Form folgt. Diese Gruppe läßt sich nun unmittelbar neben die beiden Medaillonbüsten des ephesi-
schen Glasmosaiks stellen (s. o. S. 67 ff.), dessen Entstehung im ersten Jahrzehnt des 5. Jh. n. Chr. nachgewiesen werden konnte.
Die wesentlichsten stilistischen Veränderungen seit der konstantinischen Zeit liegen in der Versteifung des Haares und in der
ab theodosianischer Zeit geradezu regelmäßig wiederkehrenden starren Augen-Nasen-Formulierung. Auch deshalb kann man
das Mosaik aus Apamea näher an das Ende des 4. Jh. n. Chr. heranrücken.
Stellt man den genannten Beispielen das Dionysosmosaik aus 16 a gegenüber, so können wir neben der stilistischen Differenz
auch noch das Fehlen bestimmter Merkmale und damit eine Abwandlung des Bildtypus beobachten. Am auffallendsten ist
das Fehlen des über der Stirnmitte angebrachten Pinienzapfens und die veränderte Darstellung des Gewandes, das hier ganz
den Jahreszeitenbildern angeglichen wurde. Dennoch steht außer Frage, daß als Grundlage dieser Bildform die Dionysos-
darstellungen des 4. Jh. n. Chr. gelten. Die Büste in 16a kann stilistisch nicht mehr neben die Mosaiken der Jahrhundert-
wende gestellt werden, wenn man die steifen Linien des Gesichtes und die harten Schattenflächen berücksichtigt, ganz abge-
sehen von den perspektivischen Verzerrungen. Dazu kommt die konsequente Trennung der rechten Hals- von der Haarpartie
183 durch eine begrenzende weiße Würfelreihe (vgl. Abb. 183), was den Verlust des kontinuierlichen Überganges und der Ver-
schmelzung zwischen Haaren und Kopf zur Folge hat. Diese Darstellungsweise finden wir z. B. in einem von Foucher455 falsch
in die Mitte des 3. Jh. n. Chr. datierten Mosaik aus Thysdrus (El Jem), wo Dionysos ebenfalls mit dem Thyrsos über der Schulter
gezeigt ist. In die gleiche Reihe gehört wegen seiner stilistischen und ikonographischen Merkmale ein koptisches Stoffbild in
125-126 Wien, KhM, Inv.Nr. XIII 16 456 (vgl. Abb. 125-126), dessen Datierung bislang noch zwischen dem 4. und dem 6./7. Jh. n. Chr.

449 Vgl. etwa jene Darstellungen, in denen Dionysos auf einem Wagen
liegend, sitzend oder stehend gezeigt wird.
450 Vgl. Hanfmann, Season Sarcophagus (1951) passim.
461 Levi, AMP 558 ff., Taf. 162.
452 J. Balty, Mosaique de Ge et des saisons a Apamee, Syria 50, 1973,
311 ff.
453 Balty, Syria 50, 1973, 343 ff.
454 Balty, Syria 50,1973,335 ff., Fig. 12. Vgl. ferner das Bild des Dionysos
auf dem in der 2. Hälfte des 4. Jh. n. Chr. entstandenen Mosaikboden
bei Alcalä de Henares (Spanien) - F. Dimas - Galiano Ruiz, oben
A. 241.
Ferner ist hier auch die Dionysosbüste in der Eingangshalle einer 1972
freigelegten römischen Villa in Nikopolis anzuführen, die stilistisch

mit H 2/16 a und mit H 2/D eng verglichen werden kann (J. Vocoto-
poulou, AAnalAth 6, 1973, 227 f., Fig. 20).
455 Foucher, Thysdrus 1960, 13 f., Taf. 5a-b. Vgl. dazu die stilistische
Ähnlichkeit des aus dem 5. Jh. n. Chr. stammenden Jahreszeiten-
mosaiks in Rom, Mus.Naz. Inv.Nr. 59585 (Helbig4 2246, S. 154).
456 Vgl. R. Noll, Vom Altertum zum Mittelalter2 (1974) 28 f., A. 50,
Abb. 12. Dazu kommen verschiedene Dionysosbilder des spät-
antiken Elfenbeinreliefes, wovon hier wegen ähnlicher Stilmerkmale
lediglich auf eine Tafel in Sens, Musee Municipale mit Dionysos-
Helios auf der einen und mit Ariadne-Selene auf der anderen Seite
verwiesen sei. Datierung: Anfang des 5. Jh. (vgl. F. W. Volbach,
Elfenbeinarbeiten der Spätantike und des frühen Mittelalters 3(1976)
54, Nr. 61, Taf. 33; ferner ebda. 59 ff., Nr. 72 ff., Taf. 41-44). Zur
Stilentwicklung ab Theodosius I. vgl. A. Rumpf, Stilphasen 19 ff.

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