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Jobst, Werner; Österreichisches Archäologisches Institut [Mitarb.]
Die Hanghäuser des Embolos — Forschungen in Ephesos, Band 8,2: Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 1977

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https://doi.org/10.11588/diglit.52050#0120
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ZUSAMMENFASSUNG

Wer J. J. Winckelmanns abwertender Äußerungen zu so manchem der inzwischen für die Beurteilung der römischen Kunst-
geschichte unschätzbar wertvoll gewordenen pompejanischen Wandbilder gedenkt, mag den Nutzen einer Untersuchung
über römische, zumeist nicht einmal figürliche Mosaiken wohl mit Berechtigung in Zweifel stellen. Folgen wir indessen dem
Prinzip der allgemein historischen und der kunsthistorischen Relevanz auch von kleinen und kleinsten, von bruchstückhaft
erhaltenen und unscheinbaren, bei archäologischen Ausgrabungen ans Tageslicht geförderten Fundgegenständen, so dürfen
die hier vorgelegten Neufunde immerhin den Wert der Erstpublikation in Anspruch nehmen. Dieser Umstand rechtfertigt
die Behandlung dieses Themas schon deswegen, weil man in dem „Neuland der Kunstgeschichte“ Anatolien abgesehen von
Konstantinopel, Antiochia a. O. oder einigen anderen, mehr sporadisch behandelten Orten sich noch wenig mit Fragen der
römischen Mosaikdekoration auseinandergesetzt hat, was bei der Vielzahl an Ausgrabungen in diesem Lande um so mehr
verwundert. Ephesos, wo im Laufe der fast 100jährigen Grabungstätigkeit eine Fülle derartiger Funde bekanntgeworden ist,
bildet hierin keine Ausnahme.
Die nunmehr in Angriff genommene Veröffentlichung der ephesischen Mosaiken möchte dem Vorbild D. Levis folgen, der
eigentlich erstmals eine zusammenfassende Darstellung der römischen Mosaikkunst während der Kaiserzeit gegeben hat, und
beabsichtigt darüber hinaus, den Blick auf die kunstgeschichtliche Stellung und Entwicklung dieser kleinasiatischen Denkmäler-
gruppe im Mittelmeerraum zu lenken. Der Versuch, hier zuerst den Vergleich mit den berühmten Mosaiken Antiochias anzu-
stellen versteht sich ja nicht nur aus dem behandelten Thema von selbst, sondern auch aus der Parallelität der beiden Städte
als kulturelle Zentren zweier wichtiger Ostprovinzen des Römischen Reiches. Das Ergebnis fällt für Ephesos zunächst
enttäuschend aus, weil seine Mosaiken mit Antiochia nur indirekt zu tun haben und einer ganz anderen Werkstättentradition
anzugehören scheinen. Diese Beobachtung fand ihre Bestätigung in den außerhalb von Ephesos studierten Bildwerken und
führte schließlich zur Annahme einer vom Osten des Landes unabhängig entstandenen Mosaiktradition in Westanatolien.
Bei vielen Mosaiken der hier behandelten Hanghäuser konnte die Abhängigkeit der Kompositionsformen vom Mutterland
Italien und vom westlichen Mittelmeerraum nachgewiesen werden. Der Wert dieses Ergebnisses für die Kunstgeschichte er-
höht sich im Falle der Hanghausmosaiken wegen der auf modernen Grabungsmethoden beruhenden Baubefunde und wegen
der Vielzahl von Wandmalereien, mit denen bereits sichere Datierungsmöglichkeiten geboten werden.
I. SCHWARZWEISSKOMPOSITIONEN
Ein besonderes Charakteristikum der Hanghausmosaiken ist die auffallend häufige Anwendung schwarzweiß gemusterter Deko-
rationen der einfachsten Art, vergleichbar den Felder-Lisenen-Systemen der Wandmalerei. In einigen Fällen schien der Weg un-
mittelbar zu den Schwarzweißdekorationen des 1.-3. Jh. n. Chr. in Italien zu führen, hätte nicht der Grabungsbefund das gerade
Gegenteil erwiesen. Eben diese Diskrepanz zwang zur Untersuchung jeder einzelnen Ornamentform und führte schließlich zur
Bestätigung der bau geschichtlichen Ergebnisse. In 21 der besprochenen Räume finden wir schwarzweiße Muster, die in
H 2/SR 1-6 (L), Wohnung I, dem späten 1. Jh., in H 2/SR 1 (II.), A-B, Wohnung I, SR 14, SR 18, Wohnung II, und
H 2/9, Wohnung V, dem späten 2. Jh. bis Mitte des 3. Jh. n. Chr. angehören, in H 1/e 1-3, H 2/SR 10a+b, Wohnung I,
H 2/SR 17, SR 19-20, SR 24, SR 28, SR 26, SR 27, Wohnung II, und H 2/16b, Wohnung III, in der Zeit zwischen 370
und 420 n. Chr. entstanden sein müssen. Die meisten der vorliegenden Kompositionen entsprechen entwicklungsgeschicht-
lich mehr den aus dem italischen Mutterland bekannten Beispielen, während in Anatolien selbst bisher nur sporadisch
geeignete Vergleiche auftreten.
Die beiden stets als Füllmuster verwendeten Ornamente Kreuzstern und Blütenkreuz lösen sich in der Spätantike ab
dem 4. Jh. aus ihrem geometrischen Rahmen, um eine größere Bodenfläche auch selbständig zu füllen. Damit wird auf
Dekorationsformen der frührömischen Zeit zurückgegriffen. Aus der Spätantike tritt uns diese Erscheinung in den ephesischen
Hanghäusern erstmals in so geschlossener Form entgegen.
Kreuzsterne werden etwa seit der Mitte des 1. Jh. v. Chr. gesetzt. Ihre einfachste Form begegnet in den beiden Cubicula
H 2/A-B als Füllung des Retikulates. In den Räumen H 1/e 1, H 2/SR 20, SR 24, SR 28 und SR 27 treten sie feld-
füllend, in H 2/SR 19, SR 24 und im Löwenzimmer H 2/17 als Füllung von Achtecksternen und Kreuzblüten in nicht
weniger als sechs verschiedenen Varianten in Erscheinung. Zahlreiche datierte Beispiele, besonders von der Balkanhalbinsel,
von Italien und den westlichen Reichsprovinzen bestätigen die getroffenen Datierungen in das späte 4. Jh. n. Chr. Den Kreuz-
sternen nahe verwandt wegen seiner Hügeligen Fortsätze ist das Füllmuster in den Mosaiken der Räume H 2/SR 10a+b,
Wohnung I und SR 22 (West- und Ostflügel), Wohnung II. Die Anwendung desselben kann ebenfalls regelmäßig ab dem
4. Jh. n. Chr. nachgewiesen werden.

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