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Hochschule für Industrielle Formgestaltung [Editor]
Kolloquium zu Fragen der Theorie und Methodik der Industriellen Formgestaltung — 3.1979

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Liedemit, Fritz: Anpassung, Bezugssystembildung und Typologisierung in der Umweltwahrnehmung und einige Aspekte der psychologischen Bewertung der Gestaltungsgüte
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https://doi.org/10.11588/diglit.30595#0100
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mit hochgradigen adaptiven Eigenschaften kann das visuelle Sin-
nessystem angesehen werden. Seine Adaptationsfähigkeit an Ver-
änderungen der Gesichtsfeldleuchtdichte oder eine veränderte
Parbigkeit der Umgebung sind allgemein bekannt und bestens er-
forscht.

Das fundamentale Gesetz, welches die Punktionsweise unserer Sin-
nesorgane beschreibt, ist das Weber-Pechnersche Gesetz, das die
Abhängigkeit der Empfindungs- bzw. Wahrnehmungsstärke von dem
sie hervor rufenden Reiz bzw. der Reizkonfiguration beschreibt.
In ihm kommt zum Ausdruck, daß zwischen beiden Größen eine lo-
garithmische Beziehung existiert. Während das Weber-Pechnersche
Gesetz das Verhalten der Sinnesorgane unter stationären Bedin-
gungen beschreibt, kommt in dem adaptiven Verhalten der Sinnes-
systeme die dynamische Veränderlichkeit der Umweltraum-Wahrneh-
mungs-Beziehungen zum Ausdruck.

Diese Veränderlichkeit spielt sowohl bei elementaren Einzel-
empfindungen eine Rolle, wie auch bei höher organisierten Wahr-
nehmungen der Größe, Porm, Entfernung usw., wie schließlich
auch bei den außerordentlich komplexen Wahrnehmungen von Situa-
tions- und Gegenstandsvariablen, z.B. unter dem Aspekt der Mäch-
tigkeit oder Geschlossenheit eines gestalteten Gegenstandes,
seiner Originalität, seines Eindruckes als Neuartigkeit oder
monotone Wiederholung, seiner Vertrautheit oder Premdheit,
seiner ästhetischen Eindrucksqualität u.a.

Die hier angesprochene allgemeine Eigenschaft organismischer
Systeme (zu denen auch das Bewußtsein im weitesten Sinne ge-
hört) zur Adaptation durch Änderung der Empfindlichkeit kann
in Analogie zu technischen Systemen als Meßbereichsregulie-
rung oder -umschaltung angesehen werden. Ihr ursprUnglicher
biologischer Sinn besteht darin, daß die Sinnessysteme sich
auf den Mittelbereich der im Umgebungsraum gerade vorherrschen-
den Reizverhältnisse einstellen und damit ständig eine maximale
Unterschiedsempfindlichkeit (Meßgenauigkeit) gewährleisten kön-
nen. Die Adaptationsvorgänge haben dabei eine zweifache Aus-
wirkung hinsichtlich der resultierenden Wahrnehmungens
Sie bewirken einerseits, daß die Empfindlichkeit des Sinnes-
systems dem vorgegebenen durchschnittlichen Reizniveau angepaßt

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