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Hochschule für Industrielle Formgestaltung [Hrsg.]
Kolloquium zu Fragen der Theorie und Methodik der Industriellen Formgestaltung — 3.1979

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Liedemit, Fritz: Anpassung, Bezugssystembildung und Typologisierung in der Umweltwahrnehmung und einige Aspekte der psychologischen Bewertung der Gestaltungsgüte
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https://doi.org/10.11588/diglit.30595#0101
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und dadurch diesem gegentiber unempfindlicher wird, zugleich er-
folgt jedoch eine Erhöhung der Empfindlichkeit flir Reizdifferen-
zen innerhalb dea gegebenen Niveaus.

Die Zeiträume, in denen sich diese Vorgänge abspielen, sind
sehr unterschiedlich. Sie hängen ab von der Art des Sinnessystems
(Sinnesmodalität) und von der Größe der Reizdifferenzen. Unter
verschiedenen Umständen varüert diese Zeit zwischen einigen Se-
kunden und mehreren Minuten, ja sogar Stunden und Tagen.

Allgemein bekannt sind im Zusammenhang mit der Empfindlichkeits-
verstellung die physiologischen Vorgänge der Helligkeits- und
Farbadaptation des Sehorgans. Aber auch bei der sehr komplexen
Leistung der geometrischen Pormenerkennung wurden solche Be-
reichsverstellungen unter dem Druck veränderter äußerer Reiz-
einflüsse nachgewiesen. /1/

Besonders anschaulich gemacht werden diese Vorgänge durch die
in der Wahrnehmungspsychologie sehr bekannt gewordenen Ver-
suche mit verzerrenden optischen Medien, die von den Beobach-
tern im Experiment Uber einen längeren Zeitraum getragen wer-
den mußten, z.B. Prismenbrillen. /1,2/

Es konnte gezeigt werden, daß die komplizierten Pormenverzer-
rungen, die durch die Prismen verursacht werden (z.B. starke
Verbiegungen aller senkrecht verlaufenden Linien bei der Be-
trachtung von Bauwerken),im Verlaufe von mehreren Wochen in
der Wahrnehmung vollkommen kompensiert werden, obgleich die
störende Prismenbrille weiter getragen wird. Hiaraus ergibt
sich unmittelbar, daß auch die hochkomplere Wahrnehmungslei-
stung der visuellen Pormenerkennung solchen Empfindlichkeits-
bereichsverstellungen im Rahmen von figuraladaptiven Prozessen
unterliegt.

Besonders deutlich wird dies in der Phase der Readaptation,
d. h. nach Entfernung der Versuchsoptik. Es zeigte sich,
daß die Testpersonen jetzt die objektiv gerade und vertikal
verlaufenden Linien an Bauwerken eine Zeit lang in entgegen-
gesetzter Richtung gekrümmt sahen wie zu Beginn des Experi-
mentes, und zwar mit bloßem Auge.

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