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Hochschule für Industrielle Formgestaltung [Hrsg.]
Kolloquium zu Fragen der Theorie und Methodik der Industriellen Formgestaltung — 3.1979

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Skerl, Joachim: Zu Gestaltungskonzeptionen des 19. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.30595#0139
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Joachim Skerl

Zu Gestaltungskonzeptionen des 19. Jahrhunderts

Die Auseinandersetzung der Kunst mit der kapitalistischen Indu-
strie, die im 19. Jahrhundert begonnen hatte und alle traditio-
nellen klinstlerischen Bereiche erfaßte, führte die Klinstler seit
der Mitte des Jahrhunderts mehr und mehr an ein neues Aufgaben-
gebiet heran: die ästhetische Gestaltung der von der Industrie
massenhaft produzierten Gegenstände, Diese neue klinstlerische
Tätigkeit erhielt zwar ihre Substanz aus der bildenden Kunst,
der Architektur und dem Kunsthandwerk, unterschied sich jedoch
wesentlich.

Politische, ökonomische und soziale Motive führten das Kunstge-
werbe des 19. Jahrhunderts auf unterschiedliche Wege,

Lehnte der Kiinstler die Gesellschaft als von Grund auf kunst-
feindlich ab, mußte er auch ihre Produktionsweise bekämpfen.
Gegeniiber den revolutionären Theorien der Arbeiterklasse zu-
meist verständnislos, fllichtete er in das romantische Ideal
vorkapitalistischer Epochen. Das Engagement richtet sich ohne
Altemative gegen die kapitalistische Produktionsweise, gegen
den Charakter der Arbeit Belbst. Preude an der Arbeit war flir
Morris Voraussetzung der Kunstproduktion und des Kunstgenusses,
die er nur in einer mittelalterlichen Handwerksgesinnung ver-
wirklicht sah. Wenige KUnstler traten gegen Ende des Jahrhun-
derts an die Seite der organisierten Arbeiterklasse. Morris tat
es am konsequentesten in der Einsicht, nur dort seine kUnstle-
riBchen Ideale verwirklichen zu können. Dennoch blieb sein po-
litisches Wirken zwiespältig und widersprUchlich,

Erkannte der KUnstler jedoch prinzipiell das kapitalistische
Gesellschaftssystem als Basis für seine gestalterische Tätig-
keit an, nutzte er auch die neuen Gestaltungsmöglichkeiten und
unterstUtzte Reformen, die die krassesten 5®ngel beseitigen
80llten. Die Pörderung des Kunstgewerbes durch die kapita-
listische Industrie diente immer der Steigerung der Produktion,
der Eroberung neuer Absatzmärkte und der Befriedigung des Re-
präsentationsbedUrfnisses, DarUberhinaus wurde die Kunstgewer-
bebewegung zu einem politischen Faktor in der Klassenausein-

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