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Gesellschaft für Vor- und Frühgeschichte in Württemberg und Hohenzollern [Editor]; Württembergischer Altertumsverein [Editor]; Württembergischer Anthropologischer Verein [Editor]; Württembergischer Geschichts- und Altertumsverein [Editor]
Fundberichte aus Schwaben — 16.1908

DOI issue:
Alamannisch-Fränkische Zeit
DOI article:
Goessler, Peter: Alamannische Grabfunde aus Obereßlingen
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https://doi.org/10.11588/diglit.43786#0104
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Alamannische Grabfunde aus Obereßlingen.
Von P. Goessler.
Mit i Tafel (VII).
Im November 1908 ist man bei Fundamentgrabungen für
ein weiteres Haus der von Architekt JuNGE-Eßlingen erstellten
Einfamilienhäuserkolonie zwischen der Haupt- und der Schorndorfer-
Straße auf einen kleinen in Reihen angelegten Friedhof der alaman-
n i s c h e n Zeit gestoßen.
Es sind im ganzen 3 in den Boden, den anstehenden Rehm, ge-
tiefte Gräber, zwei davon von Männern, das dritte, mittlere, von einer
Frau. Im 1. Grab stieß man auf das Skelett in 1,15 m unter dem heutigen
Niveau; beigegeben war eine 50 cm lange eiserne Lanzenspitze, deren
35 cm langes Blatt im Querschnitt leicht dachförmig ist; auf die etwas
erhöhte Mittelrippe laufen auf beiden Seiten von der 15 cm langen,
gehöhlten Schafttülle 3 Hohlkehlen blutrinnenartig zu. Dies hohl-
gekehlte Mittelstück, gleichsam der Hals, hat abgeschrägte Außen-
kanten, die eigentliche Tülle aber ist im Querschnitt kreisrund. Wo
die Lanze lag, ist leider nicht mehr festzustellen, vermutlich am Kopf
mit der Spitze über der Schulter, über welche der zu Wurf und Stoß
gebrauchte Speer mit Eschen- oder Eichenschaft gewöhnlich dem
Toten ins Grab gelegt ward. Sonst lag in dem Grab nichts außer einer
Muschel aus dem schwarzen Jura (Delta), die vielleicht ehemals als
Schmuck an einem Faden getragen wurde. Das Skelett hatte, wie
die der zwei anderen Gräber, die bei unseren frühgermanischen Reihen-
gräbern regelmäßige Orientierung von W nach O, d. h. das Gesicht
der unverbrannt, jedenfalls bekleidet beigesetzten Leiche schaut gen
Osten. Weder die vorgeschichtlichen, noch die römischen Skelett-
gräber weisen eine solch peinlich beobachtete Orientierung auf. Das
Christentum kann nicht daran schuld sein; es ist vielmehr eine uralt-
arische, an Sonnenkult gemahnende Vorstellung. Mit dem Christen-
tum hat sie auch ursprünglich nichts zu tun, so wenig übrigens, als
die Ersetzung des von Haus aus gerade den Germanen eigenen Leichen-
brandes durch die Erdbestattung der unverbrannten Leiche, die man
aber in den römischen Grabgebräuchen, wo vom 3. Jahrhundert n. Chr.
ab die Bestattung den Brand ablöst, nicht mit Unrecht mit dem Ein-
fluß des Christentums zuschreibt. Vielmehr, solange die Germanen
Wanderer waren, haben sie ihre Toten verbrannt, um ihnen die in
allen späteren Gesetzen streng verlangte Grabesruhe mehr zu sichern
als dies durch Erdbestattung möglich gewesen wäre. Ebenso ver-
brennen die Griechen in der Fremde vor Troja ihre Toten, ihren Patro-
klos, ihren Achilles; die Heimat aber übt in homerischer Zeit die Sitte
der Erdbestattung, deren Reste uns die Gräber des mykenischen Pa-
lastes wieder geschenkt haben.
Das 2. Männergrab, 1,20 m davon entfernt, barg in 0,85 m Tiefe
das Skelett in derselben Richtung mit einer kleinen, in 3 Stücke ge-
brochenen Lanzenspitze. Andere Waffenstücke aus Eisen mögen
 
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