der wenigen ganz vortrefflichen Marmore, die das Berliner Museum besitzt, seit
Jahren schon in dem dunklen Kerker eines Magazines schmachten.1 Der in
der Abteilung der griechischen Marmore im Oktober i8g8 neuaufgestellte Kopf
ist im Jahrbuch der königl. preuss. Kunstsammlungen, Jahrg. XIX, 1898, amtliche
Berichte, 1. Oktober 1898, S. LIV, als eine im Kunsthandel erworbene „wichtige
Originalskulptur" erwähnt. Er wird näher beschrieben als „ein überlebensgrosser,
noch mit Schmutz überzogener, im übrigen vorzüglich erhaltener weiblicher Marmor-
kopf", der eine .jüngere Stufe der archaischen Kunst" vertrete. Ungemein treffend
ist die folgende Bemerkung dieser von Kekule von Stradonitz gezeichneten Be-
schreibung: „mit den in Athen üblichen Stilrichtungen scheint der Kopf nichts zu
thun zu haben" — viel treffender als ihr Verfasser ahnte; denn der Kopf ist in
unseren Tagen in Italien, allem Anschein nach in Rom gemacht.2
Er war jener Beschreibung nach ganz mit einer „Schmutzkruste" überzogen,
die jetzt zum grösseren Teile beseitigt und nur hinten stehen gelassen ist. Diese
Schmutzkruste nun erweist sich dem geübten Blicke sofort als künstlich aufgetragen;
aber auch der Ungeübte kann, einmal aufmerksam gemacht, leicht erkennen, dass
dieser Schmutz, der keine scharfen kantigen, sondern nur runde Körner enthält,
aufgeschmiert ist und sich von dem im Lauf der Jahrhunderte in der Erde an-
setzenden wesentlich unterscheidet. Dass die Schmutzkruste hier eine recht harte
ist, die den am Berliner Museum angestellten, um die pergamenischen Marmore
so hochverdienten trefflichen Italienern zu beseitigen Mühe gemacht hat, könnte
natürlich nur einem ganz Unkundigen als Beweis ihres Altertums dienen; denn bei
Benutzung geeigneter Materialien, wie der Puzzolanerde oder des Cements, lässt
sich natürlich leicht eine sehr harte Schmutzkruste herstellen.
Durch die Gefälligkeit des Herrn Carl Jacobsen in Kopenhagen, dem das
Stück ebenfalls angeboten worden war, sind wir in der Lage die beistehenden Photo-
graphieen des Berliner Kopfes (Fig. 1) zu veröffentlichen, die ihn in dem Zustande
vor seiner Reinigung wiedergeben. Die Fälschung ist hier womöglich noch deut-
licher als in dem jetzigen gereinigten Zustande und die Ausrede, dass die Schmutz-
kruste etwa die Thatsache der Fälschung zu verhüllen geeignet gewesen sei, ist
unmöglich; denn in jenem ungereinigten Zustande springt die Fälschung nur deut-
licher in die Augen; gerade der jetzt beseitigte Schmutz auf dem Gesichte erscheint
selbst in der Photographie deutlich als so recht absichtlich künstlich aufgeschmiert,
nirgends mit kantigen, sondern immer durch eine Sauce verbundenen Körnern.
Zu der positiven Thatsache des modern aufgetragenen Schmutzüberzuges ge-
sellt sich die negative des absoluten Mangels untrüglicher Echtheitsmerkmale; vor
1 So der wunderbare Kopf, Beschreibung No. 482, der eine Originalarbeit praxitelischer Kunstrichtung ist. Das
herrliche Stück, das früher jedem fühlenden Auge wie eine erfrischende köstliche Oase in der Wüste der übrigen Skulpturen
der Berliner Sammlung erschienen war, ist seit langem von der jetzigen Direktion von der öffentlichen Aufstellung aus-
geschlossen worden. Das gleiche Schicksal traf die stupende Caracallabüste, Beschreibung No. 384, die eines der besten
existierenden römischen Porträts ist.
2 Meine Ansicht über den Kopf, sowie über die später zu erwähnenden neuerworbenen Terrakotten in Berlin
habe ich nicht verfehlt der Generalverwaltung der königl. Museen sofort, nachdem ich die Stücke Mitte Oktober 1898 in
Berlin gesehen, mit eingehender Begründung mitzuteilen, damit die Ankäufe, wenn noch möglich, rückgängig gemacht
werden könnten.
Jahren schon in dem dunklen Kerker eines Magazines schmachten.1 Der in
der Abteilung der griechischen Marmore im Oktober i8g8 neuaufgestellte Kopf
ist im Jahrbuch der königl. preuss. Kunstsammlungen, Jahrg. XIX, 1898, amtliche
Berichte, 1. Oktober 1898, S. LIV, als eine im Kunsthandel erworbene „wichtige
Originalskulptur" erwähnt. Er wird näher beschrieben als „ein überlebensgrosser,
noch mit Schmutz überzogener, im übrigen vorzüglich erhaltener weiblicher Marmor-
kopf", der eine .jüngere Stufe der archaischen Kunst" vertrete. Ungemein treffend
ist die folgende Bemerkung dieser von Kekule von Stradonitz gezeichneten Be-
schreibung: „mit den in Athen üblichen Stilrichtungen scheint der Kopf nichts zu
thun zu haben" — viel treffender als ihr Verfasser ahnte; denn der Kopf ist in
unseren Tagen in Italien, allem Anschein nach in Rom gemacht.2
Er war jener Beschreibung nach ganz mit einer „Schmutzkruste" überzogen,
die jetzt zum grösseren Teile beseitigt und nur hinten stehen gelassen ist. Diese
Schmutzkruste nun erweist sich dem geübten Blicke sofort als künstlich aufgetragen;
aber auch der Ungeübte kann, einmal aufmerksam gemacht, leicht erkennen, dass
dieser Schmutz, der keine scharfen kantigen, sondern nur runde Körner enthält,
aufgeschmiert ist und sich von dem im Lauf der Jahrhunderte in der Erde an-
setzenden wesentlich unterscheidet. Dass die Schmutzkruste hier eine recht harte
ist, die den am Berliner Museum angestellten, um die pergamenischen Marmore
so hochverdienten trefflichen Italienern zu beseitigen Mühe gemacht hat, könnte
natürlich nur einem ganz Unkundigen als Beweis ihres Altertums dienen; denn bei
Benutzung geeigneter Materialien, wie der Puzzolanerde oder des Cements, lässt
sich natürlich leicht eine sehr harte Schmutzkruste herstellen.
Durch die Gefälligkeit des Herrn Carl Jacobsen in Kopenhagen, dem das
Stück ebenfalls angeboten worden war, sind wir in der Lage die beistehenden Photo-
graphieen des Berliner Kopfes (Fig. 1) zu veröffentlichen, die ihn in dem Zustande
vor seiner Reinigung wiedergeben. Die Fälschung ist hier womöglich noch deut-
licher als in dem jetzigen gereinigten Zustande und die Ausrede, dass die Schmutz-
kruste etwa die Thatsache der Fälschung zu verhüllen geeignet gewesen sei, ist
unmöglich; denn in jenem ungereinigten Zustande springt die Fälschung nur deut-
licher in die Augen; gerade der jetzt beseitigte Schmutz auf dem Gesichte erscheint
selbst in der Photographie deutlich als so recht absichtlich künstlich aufgeschmiert,
nirgends mit kantigen, sondern immer durch eine Sauce verbundenen Körnern.
Zu der positiven Thatsache des modern aufgetragenen Schmutzüberzuges ge-
sellt sich die negative des absoluten Mangels untrüglicher Echtheitsmerkmale; vor
1 So der wunderbare Kopf, Beschreibung No. 482, der eine Originalarbeit praxitelischer Kunstrichtung ist. Das
herrliche Stück, das früher jedem fühlenden Auge wie eine erfrischende köstliche Oase in der Wüste der übrigen Skulpturen
der Berliner Sammlung erschienen war, ist seit langem von der jetzigen Direktion von der öffentlichen Aufstellung aus-
geschlossen worden. Das gleiche Schicksal traf die stupende Caracallabüste, Beschreibung No. 384, die eines der besten
existierenden römischen Porträts ist.
2 Meine Ansicht über den Kopf, sowie über die später zu erwähnenden neuerworbenen Terrakotten in Berlin
habe ich nicht verfehlt der Generalverwaltung der königl. Museen sofort, nachdem ich die Stücke Mitte Oktober 1898 in
Berlin gesehen, mit eingehender Begründung mitzuteilen, damit die Ankäufe, wenn noch möglich, rückgängig gemacht
werden könnten.