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Furtwängler, Adolf
Neuere Fälschungen von Antiken — Berlin [u.a.], 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.822#0039
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Werke des sechsten Jahrhunderts; wahrscheinlich hat die Tafel im Bull, de corr.
hell, wirklich als Vorbild gedient; das Auge ist nach alter Art natürlich ganz von
vorne gezeichnet. Dagegen fällt der Kopf des Athamas ganz aus dem Stil und ist
viel jüngerer Art; ganz ungeschickt unsicher modern ist das Profil der Ino. Die
Idee der Nephele mit dem Widder über den Wolken ist dem Verfertiger natürlich
durch das pompejanische Bild des Opfers der Iphigenie und durch die Analogie
der Geschichte gekommen: Phrixos und Helle sollen geopfert werden, wie dort
Iphigenie, und werden gerettet durch das von der Göttin gebrachte Tier.

Wir mussten bei dem Stücke etwas länger verweilen, weil es so tüchtige
Kenner getäuscht hat und weil es immerhin zu den bedeutendsten neueren
Fälschungen gehört. Man wird vor anderen kühnen Arbeiten dieses geschickten
Mannes auf der Hut sein müssen.

VI.

Endlich wollen wir in aller Kürze auch noch der geschnittenen Steine
gedenken, die früher ein Hauptgebiet der Fälschung waren. Sie sind es längst
nicht mehr; die Steinschneidekunst ist heutzutage in tiefem Verfalle1 und das Inter-
esse für Gemmen ist auf sehr enge Kreise beschränkt. Nur die in den letzten
Decennien aus Griechenland kommenden ältergriechischen Steine sind sehr gesucht.
Sie zu fälschen ist nicht leicht; dennoch wird es neuerdings versucht. Ein gutes
Beispiel ist mir aus einer englischen Privatsammlung bekannt; der Stein ist auf
zwei Seiten mit je einem archaischen Bilde versehen, Flügeldämonen, die nicht übel
nach dem Vorbilde archaischer Vasen gearbeitet sind. Der Fälscher verrät sich
indes ausser in dem flauen Stile und der Nachahmung von Vasen schon in der
unkorrekten Form und dem Material des Steines; sehr verkehrter Weise wählte er
eine der Spätzeit charakteristische Steinart, den Heliotrop, den ich neuerdings öfter
von griechischen Fälschern verwendet sah. Zuweilen jedoch benutzen diese echte
antike skarabäoidförmige Steine, die ohne Bild sind, wie sie öfters vorkommen, und
gravieren ein modernes Bild darauf, das dann freilich nur durch Stil und Art der
Arbeit als solches erkannt werden kann.2

Natürlich treiben sich aber im Handel zahlreiche ältere Fälschungen herum,
die ja in Masse existieren. Kaum wird aber eine Sammlung eine so grobe und
schlechte neuere Arbeit als antik aufnehmen wollen, wie dies das Berliner Museum
that, unter dessen Erwerbungen von 18963 zwei angeblich antike Steine aus
Alexandrien figurieren, die beide falsch sind, deren einer aber, ein Kopf mit der
Strahlenkrone, zu der elendesten gemeinsten Sorte von Gemmen der Spätrenaissance
gehört, die in rohester Weise allerlei Köpfe, besonders solche mit Strahlendiadem,
nach Art der späten Kaisermünzen geben. In jeder grösseren Sammlung sind solche
Stücke; in Berlin ist sogar eine ganze Reihe von dieser Sorte! Man hat sich also

1 Vgl. was Graf Tyszkiewicz in Revue arch. 1897, vol. 31, p. 166 bemerkt.

2 Vgl. Tyszkiewicz a. a. O.

3 Erwähnt im Jahrbuch der kgl. preuss. Kunstsamml. 1986, p. LVII „die Miscell.-Samml. ist durch ... 2 Karneole
mit dem Porträtkopf eines Fürsten . . . bereichert worden."

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