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Furtwängler, Adolf
Neuere Fälschungen von Antiken — Berlin [u.a.], 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.822#0031
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Der Kopf schliesst sich offenbar nahe an dasjenige griechische Original an,
das uns in vortrefflicher Kopie in dem Kopfe erhalten ist, den ich Meisterwerke
Taf. 5 veröffentlicht und (S. 118) auf Alkamenes zurückgeführt habe. Die Anordnung
des Haares und des Kopftuches ist hier wie dort ganz dieselbe, mit dem einzigen
Unterschiede, dass der schmale vordere Streif des Kopftuches an der Bronze weiter
zurückgeschoben ist und in das Vorderhaar also nicht einschneidet wie an jener
Marmorkopie; auch ist in der Bronze ein Löckchen vor dem Ohre zugefügt, das späterer
Manier entspricht und das dem Originale sicher fremd war, wie es auch der Marmor
nicht zeigt Letzterer ist eine treue Kopie1, die Bronze eine freiere römische Ver-
wendung jener vermutlichen Schöpfung des Alkamenes. Auch wirkt das Gesicht in
der Bronze etwas gedrückter, breiter und kürzer als in dem Marmor, wo die Züge
edler und schlanker sind. Endlich ist die 'Wendung des Kopfes eine verschiedene.
Trotz der Aehnlichkeit mit der Aphrodite des Alkamenes ist der Kopf doch (vgl.
Meisterwerke a. a. O.) durch mehr grossartige kräftige Züge von jener lieblichen
Göttin verschieden. Dass die römische Kunst den Typus für eine Stadtgöttin ver-
wendet hat, lässt die Vermutung entstehen, dass er auch ursprünglich eine analoge
Bedeutung hatte, dass also die Schöpfung des Alkamenes etwa die Tyche darstellte,
wie sie Pindar besang (Frg. 13—16 Böckh), als die grosse Göttin, die mächtigste
Schwester der Moiren, die Pflegerin und Erhalterin der Stadt, die yepiTidkiq.

Schon Caylus hat gewiss mit Recht vermutet, dass die Bronzestatue, deren
Kopf uns erhalten ist, nicht in Lutetia, sondern wohl in Rom selbst hergestellt
worden sei. Die Benutzung eines klassischen Vorbildes der phidiasischen Periode,
die Benutzung der Tyche des Alkamenes für die nach Gallien bestimmte Stadt-
göttin würde sehr gut für die augusteische Zeit passen, der wir den Kopf mit
Wahrscheinlichkeit zuteilen dürfen. Auch der „akademische Stil", den Reinach und
Babelon zu bemerken und an dem sie Anstoss nehmen zu müssen glaubten, ist
nichts anderes als der augusteische Klassizismus.

IV.

Wir kehren zu den Fälschungen zurück. Das Metall, das sich, da es von
dem Liegen in der Erde nicht verändert wird, besonders zu Fälschungen eignet,
ist das Gold. In diesem Materiale sind daher auch neuerdings zahlreiche und
hervorragende Fälschungen ausgeführt worden. Die bequemste und deshalb häufigste
Technik ist die des getriebenen Goldblechs. Am schwierigsten ist die Nachahmung
jener überaus feinen Granulierung, welche so viele altetruskische Schmucksachen
auszeichnet. Doch die Arbeiter Castellani's verstanden sich auch darauf, und in
der Auktion der Sammlung AI. Castellani 1884 waren eine ganze Reihe solcher
vortrefflicher Nachahmungen als „Bijoux d'or de Palestrina". Auch die einst für
den Marchese Campana thätigen Fälscher haben sehr geschickte Imitationen von
Goldringen und anderem altetruskischem Schmucke gemacht, die zum Teil im

1 Dass sich eine Replik auf einer Statue im Pal. Borghese zu befinden scheint, habe ich in der englischen Aus-
gabe, Masterpieces p. 85, Anm. 1 bemerkt.

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