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Furtwängler, Adolf
Neuere Fälschungen von Antiken — Berlin [u.a.], 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.822#0030
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Berühmtheit wieder zu verschaffen, die er früher hatte; denn-er ist das schönste
und glänzendste Zeugnis der ältesten Vergangenheit der Stadt. Er ist eine Lutetia
Parisiorum aus der früheren römischen, wahrscheinlich noch der augusteischen Zeit,
der Rest einer Statue der Göttin der Stadt.

Der Kopf wurde nach ganz unverdächtigem, wenige Jahre nach der Auf-
findung geschriebenen Berichte gegen 1675 in Paris gefunden, und zwar bei der
Kirche Saint Eustache im Schutte innerhalb alten Gemäuers ungefähr 12 Fuss tief.
Er ist, wie ich mich bei genauer Besichtigung, die mir E. Babelon freundlichst
gestattete, überzeugte, ganz unzweifelhaft antik, und die Bedenken der französischen
Gelehrten sind durchaus unbegründet.

Er zeigt eine gute, echte, dunkle Patina. Die Oberfläche ist, wie dies bei
Bronzen aus dem 17. Jahrhundert so oft der Fall ist, etwas gewachst. In den
Haaren sitzen noch kleine Reste von Erde und Sinter. An mehreren Stellen sieht
man die den antiken Bronzen so charakteristischen, an Renaissance- und modernen
Bronzen niemals erscheinenden rechteckigen Pflästerchen, eingesetzte Bronze-
stückchen, welche schlechte Stellen des Gusses ersetzten. Der Kopf ist ziemlich
dick gegossen, wie es gewöhnlich die grösseren Bronzen der Kaiserzeit sind.

Die ganze Oberfläche ist in der antiken "Weise der vorhadrianischen Zeit
sauber ciseliert. Die Augenbrauen sind nach der im Altertum herrschenden Art
graviert und zwar in zwei Reihen paralleler schräger Striche, ganz wie z. B. am
Doryphoroskopfe des Apollonios (vgl. hierüber meine Bemerkungen in Olympia
Bd. IV, S. 10 Anm, wo andere Beispiele römischer und griechischer Zeit angeführt
sind). Die Augäpfel sind, wie an den griechischen und den älteren römischen
Bronzen durchweg, besonders eingesetzt gewesen; die jetzt eingesetzten glatten
Augäpfel sind offenbar modern, ganz wie die meisten der gleichen Augäpfel an
den Bronzen von Herkulaneum in Neapel. Diese Beobachtung, däss die jetzigen
Augäpfel des Kopfes modern eingesetzt sind, giebt eine Bestätigung der Korrektheit
des alten Ausgrabungsberichtes und löst eine Schwierigkeit, die bisher vorhanden
schien und die schon Caylus aufgefallen war. Jener Bericht über die Auffindung
von dem Geistlichen de Molinet sagt nämlich, dass die Augen hohl waren; er
vermutet, dass die Augäpfel gestohlen worden seien, weil sie wohl, wie oft im
Altertum, von Silber gewesen seien; Caylus meinte, das müsse ein Irrtum sein,
denn die Augäpfel seien ja vorhanden, seien glatt ohne Pupillen und in antiker
Art gearbeitet. Caylus beschrieb den Kopf wie er schon im Cabinet des Medailles
stand, wo er heute noch steht; allein vorher hatte er den Besitzer schon mehrmals
gewechselt (von Berrier, der ihn gefunden, kam er zu Girardon dem Bildhauer,
dann zu Crozat dem Sammler, dann zum Duc de Valentinois und endlich erst in
das Kabinett des Königs). Einer derselben hatte die hohlen Augen ausfüllen lassen;
vielleicht geschah es erst bei der Aufstellung im Kabinett des Königs. Die hohlen
Augen, die besonders eingesetzt waren, aus farbigem Materiale, sowie ferner die
Art der sauberen Ciselierung des Kopfes beweisen, dass der Kopf den guten alten,
in der vorhadrianischen Zeit herrschenden Traditionen der Bronzearbeit folgt. Ueber
die Wandlung der Bronzetechnik in der späteren Kaiserzeit vgl. meine Bemerkungen
in Sammlung Somzee, zu Taf. 30. 31, S. 47.

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