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Die Gartenkunst — 13.1911

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Singer: Stauden
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https://doi.org/10.11588/diglit.20813#0070

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62

DIE GARTENKUNST.

XIII, 3

riesigen Fachliebe und eifrigem, erfolgreichem Selbststudium zu
einem eigenartigen, bedeutenden Gartengestalter sich durchringt,
und der dabei mehr als die berufsmäßigen Gartenarchitekten zu
einer vielseitigen, reichen, manchmal vielleicht überreichen
Staudenverwendung im Landschaftsgarten gekommen ist.

Bald lag dann auch das Werk auf meinem Arbeitstisch
und mit wechselnden Gefühlen vertiefte ich mich in Wort und
Bild des prächtigen Buches. Schon die Einteilung zeugt von
einem bemerkenswerten Verständnis des Verfassers für die
Bedürfnisse der Praxis. Da finden sich nach der Einleitung im
II. Kapitel „Kurze Angaben über Anzucht und Vermehrung" von
Franz Zeman, dem gräflichen Obergärtner in Pruhonitz, einem
nach seinen dortigen Erfolgen in Stauden- und Gehölzzucht sehr
tüchtigen Praktiker; leider ist für dieses wichtige Kapitel der
Raum viel zu knapp bemessen worden. Es folgen dann weitere
3 Kapitel von hervorragenden Praktikern: III. „Auswahl der
besten Stauden für den Liebhaber" von W. J. Goos (Goos &
Koenemann), IV. „Die empfehlenswertesten Arten und Formen
für den allgemeinen Anbau" von Georg Arends und V. „Neue
und harte Stauden aus China" von H. Veitch (James Veitch
& sons). So gut und brauchbar der Inhalt dieser 3 Kapitel
für eine periodische Gartenbauzeitschrift wäre, in das vor-
liegende Buch passen derartige Listen mit den vielen ephemeren
Neuheiten, die morgen schon durch bessere oder wenigstens
neuere verdrängt werden, nicht recht hinein, solche Listen
sucht man besser in den alljährlich neu erscheinenden Preis-
verzeichnissen guter Staudenfirmen. Nun aber kommt das
Interessanteste: VI. „Die Stauden in der landschaftlichen Park-
anlage", das so recht ein Selbstbekenntnis des gräflichen Ver.
fassers bildet und einen tiefen Einblick in sein künstlerisches
Denken und Schaffen gewährt. Hier, wo sich's um Prinzipien
handelt, muß ich natürlich länger verweilen. Graf Silva Tarouca
ist ganz aus sich heraus Vertreter der landschaftlichen Garten-
gestaltung geworden, er ist Autodidakt und durch keine Schul-
richtung in seinen Anschauungen und Entschlüssen gebunden;
um so schwieriger ist's für den zünftigen Gartenkünstler und
führt ihn leicht zu ungewollten Ungerechtigkeiten, derartige
spontane Gartengestaltungsbestrebungen zu kritisieren.

So stößt gleich der 1. Absatz auf meinen Widerspruch:
Graf Silva Tarouca meint, daß die Mode gewordene mannig-
faltige Staudenverwendung im Landschaftsgarten teils mit dem
Streben der modernen Kunst nach möglichster Naturwahrheit
zusammenhängt, anderenteils die aus der Durchforschung
fremder Länder gewonnenen Vegetationsbilder verwertet;
m. E. entfernen sich die jetzt beliebten Staudenanordnungen
im Landschaftsgarten, wie dies ja am deutlichsten auf den
meisten der beigegebenen Illustrationen in die Erscheinung
tritt, so weit von Naturwahrheit, daß sie kaum mehr als
Steigerungen von Naturbildern gelten können; sie entspringen
in der Hauptsache malerischen Erwägungen, bezwecken kräftige
Farbeneffekte und bedienen sich eines Materials, das mit dem
natürlichen wohl Art- und Gattungsname gemein hat, jedoch
infolge der durch die Kultur stark veränderten Gestalt, Größe
und Farbe der Blumen und Blätter eine ganz andere In-
dividualität zur Schau trägt.

Ebensowenig kann ich mich vollinhaltlich zu dem Stand-
punkt bekennen: „Je mehr Abwechselung geboten wird, desto
interessanter ist ein Landschaftsgarten; dasselbe gilt von der
Verwendung der Stauden im Landschaftsbilde" und „Wie ich
im großen durch Massenanpflanzung bunter Gehölze Farben-
wirkung erzielen muß, so kann ich dies auch im kleinen
durch Massenanpflanzung verschieden blühender Stauden her-
beiführen." Beides sind wohl Halbwahrheiten, deren kon-
sequente Durchführung eine nicht zu unterschätzende Gefahr
für die ganze Landschaftskunst bedeuten könnte; Ruhe ist
nicht allein des Bürgers, sondern auch des Künstlers erste
Pflicht. Und gerade wir berufsmäßigen Gartenbauer haben
uns in den letzten Jahren mehr und mehr von den aufdring-
lich-bunten, ich möchte sagen, demimondänen Kulturformen
der Gehölze abgewandt, da wir in den natürlichen Arten mit
ihren an sich ganz verschiedenartigen Farbenwirkungen genügend

Licht- und Schattentöne zur Erzielung malerischer Bilder zu
haben glauben. Graf Silva Tarouca dagegen hat mit dem Mut
und der Kraft künstlerischer Uberzeugung große Landschafts-
bilder auf die Wirkung farbiger Gehölze aufgebaut, und ich
habe davon einen so gewaltigen, nachhaltigen Eindruck emp-
fangen, daß die Erregung und der Zwiespalt in meinem Innern
über die Berechtigung derartiger Malerei in der Landschafts-
gestaltung heute noch fortbestehen und fortbestehen, trotzdem
uns damals in dem benachbarten Konopischt auch Gegenbei-
spiele für die Verwendung vieler farbiger Gehölze und auf-
dringlicher Staudenmassen vor Augen getreten waren.

Dann stellt Graf Silva Tarouca für die Staudenpflanzungen
in Parkanlagen folgende Leitsätze auf:

1. „Man soll immer nur gleichzeitig blühende Stauden in
einer Gruppe bezw. Partie zusammenpflanzen", das klingt sehr
einfach und schön, widerspricht aber dem Fundamentalleitsatz
Nr. 4 und könnte m. E. überhaupt nur für den ganz großen
Park aufrecht erhalten werden. Ich kenne sehr wohl aus eigenen
langjährigen Erfahrungen die Schwierigkeiten, landschaftliche
Staudenpflanzungen fortwährend in Blüte und immer in guter
Ordnung zu halten; es geht aber mit einigem Fleiß ganz gut,
abgesehen davon, daß eine Menge Stauden auch nach dem
Verblühen durch Blatt und Samenstand noch sehenswert und
wirkungsvoll sind; für andere, die nach der Blüte zurückgehen
und (wie z. B. Papaver Orientale) klaffende Lücken hinterlassen,
muß eben durch entsprechende Beigabe spät zur Entwickelung
kommender Stauden oder durch Annuelle Ersatz geschaffen
werden.

2. „Von jeder Art und Farbe sollen immer möglichst viele
zusammengepflanzt werden", ist ein wohl zu beherzigender
Rat, und sehr interessant sind die Andeutungen über die An-
wendung der Farbenharmonien und -Kontraste, wogegen die
aus dem Rüstzeug der verflossenen Schulrichtung übernommene
Anweisung, zur Steigerung der Konturwirkung in die Einbuch-
tungen dunkle und an die Ausbuchtungen weiße und gelb-
bunte Gehölze und Stauden zu pflanzen, meine Zustimmung nicht
finden kann, da die häufige Anwendung dieses Prinzips eine
äußerst unangenehme Unruhe in die Landschaftsbilder bringt.

3. „Gestalt und Größe der Stauden ist bei deren Ver-
wendung im Landschafisbilde ebenso zu berücksichtigen wie
deren Farbe" ist ein guter Grundsatz, gegen den leider all-
zuhäufig verstoßen wird, ebenso wie gegen den folgenden:

4. „Der wichtigste Grundsatz sei für den Landschafts-
gärtner: Sich immer von der großen Lehrmeisterin Natur bei
seinem künstlerischen Walten leiten zu lassen"! Hier sind
sehr gute und reiche Ratschläge für die verschiedenartigsten
Vegetationsbilder eingeschaltet mit der Empfehlung, „im Verein
mit den Stauden, deren Standorte und natürliches Vorkommen wir
beobachten konnten, noch die verwandten ausländischen und die
aus den Gartenkulturen neu hervorgegangenen Arten einzufügen."

In der nächsten Abteilung hat Camillo Karl Schneider,
von dem wir schon manches gute Schriftwerk gelesen, „die
Stauden in der architektonischen Anlage, besonders im Haus-
garten" behandelt und dabei mit Recht das Hauptgewicht auf
unsere alte, jetzt aber auf dem Umwege über England wieder
zu Ehren gekommene Staudenrabatte gelegt. So herrlich schön
und dankbar gutgepflegte Staudenrabatten sind, so schwierig
ist ihre Anlage und noch schwieriger die Unterhaltung, über
welch letztere im Buche leider gar nichts gesagt ist. C. K.
Schneider hat bei Aufstellung von Bepflanzungsrezepten wieder
2 der hervorragendsten Staudenkenner und Züchter, Arends und
Goos, zu Rate gezogen, die dem Liebhaber außerordentlich
reichhaltige und vielseitige Speisekarten darbieten. Herr Arends
bringt eine regelmäßig gemischte Bepflanzung, indem er die
Rabatten in gleiche Abschnitte von 3—4 m Länge teilt und
dieseAbschnitte einen genau wie den andern bepflanzt, so daß sich
dieselben Farbentöne in gleichen Abständen wiederholen. Ich
habe dies früher selbst einmal versucht, es ist mir aber daneben
gelungen, denn diese Bepflanzungsart hat nur dann Erfolg,
wenn die regelmäßig sich wiederholenden Pflanzen vollkommen
gleichmäßig geformt und zu gleicher Zeit zur Blüte gebracht
 
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