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DIE GARTENKUNST.
XIII, 5
Villa Lante bei Bagnaja: Hauptansicht. Phot. Moscioni, Rom.
dem Ganzen den Charakter der Heiterkeit und freien
Natürlichkeit zu geben.
Dabei haben verschiedene Zeiten mit verschiedenen
Absichten daran gebaut. Es kann wirklich nur ein
Meister gewesen sein, der ihm die endgültige Fassung
gab, alles Vorhandene so vollständig verarbeitend, daß
nichts die verschiedenen Ursprünge verrät. Schon
darum ist die Streitfrage nach dem Schöpfer zweifellos
im Sinne Burckhardts, des noch heute unangetasteten
Renaissanceforschers, für Vignola zu entscheiden, der
den Übergang von der Hochrenaissance zum Barock
vermittelte und als der letzte wirklich bedeutende
Renaissancebaumeister betrachtet werden kann.
Die Komposition der Wasserwerke, — beginnend
auf der oberen Terrasse mit einem Wassersturz aus
der Höhe der Leitung (Stein) zwischen zwei lieblich
edlen Loggien unter großen, schönästigen Platanen (Abb.
Seite 87); hinabziehend in Form von reichen Brunnen
und axialen Kaskaden — über Terrassen und schräge
Hänge, immer unter Bäumen bis zur letzten Terrasse
mit Brunnen und kaskadengeschmückten Treppen
(Abb. Seite 88 und 83); und dann im blendenden Licht
zur Ruhe gelangend im großen quadratischen Becken, —
das kann ja alles nicht näher geschildert werden, ebenso-
wenig die schöne klare Gliederung und Stufung durch
Terrassen und Hänge, Baumpflanzungen, Balustraden
und Säulen, durch Hecken, Rasen und Blumenbeete.
Wie alles in schönen Verhältnissen ineinandergefügt ist,
klar und sicher und darum frei und natürlich! Wie
viel menschlicher, wie viel höher ist doch solche
Natürlichkeit als die im Garten gepredigte Natur!
Der gesamte Raumeindruck ist ein vollkommener,
unmittelbarer. Über den reich belebten, dennoch nicht
unruhigen Vordergrund des Parterregartens hinweg wird
der Blick von den beiden Kasinos gleichmäßig ange-
zogen, um dann zwischen ihnen in der lockenden
wohlabgestuften Achse in die schattige Tiefe zu dringen.
Keine seitliche Ablenkung, keine Hemmung, keine An-
strengung.
(Hier muß ich endlich einmal eine kurze Be-
merkung über die Auffassung des Raumbegriffes ein-
schalten, um Mißverständnisse zu vermeiden. Raum
ist hier nicht im gewöhnlichen engeren Sinne = Hohl-
raum, umschlossener Raum, gemeint, sondern Raum
an sich, das Dreidimensionale als Gegensatz zur vierten
Dimension, der Zeit, das ganz Weite um uns herum,
das was der Ausdruck des Vorhandenseins ist. Ein je
stärkeres Gefühl des Raumes (auch im Bilde und in
der Plastik) wir erhalten, um so unmittelbarer, tiefer
der Eindruck. Was uns im Gebirge, besonders auf
den Gipfeln, erhebt, ist das starke Raumgefühl; was
uns bei einem Sonnenuntergang am Meere packt, ist
die durch die Farben erhöhte Stärke des unendlichen
Raumeindruckes. Stehen wir innerhalb eines umgrenzten
Teiles von Raum, so nennen wir ihn einen Raum,
mathematisch aber Hohlraum, stehen wir außerhalb,
so erscheint er uns oft als Körper. Beide aber sind
Ausdruck von Raum an sich. Raum wird uns wahr-
nehmbar durch die Form, wozu auch Licht, Farbe usw.
gehören. Um eine volle Vorstellung von einem Gegen-
stand zu erhalten, muß er einheitlich gleichmäßig in
unsere Vorstellung eingehen, also in sich geschlossen
sein. Seine räumliche Erscheinung, seine Wirkungs-
form geht uns ein durch die Verbindung von Flächen-
und Tiefenvorstellungen. Im geeigneten Falle ergeben
sie das Bild. Allein in der Kunst des realen Raumes
DIE GARTENKUNST.
XIII, 5
Villa Lante bei Bagnaja: Hauptansicht. Phot. Moscioni, Rom.
dem Ganzen den Charakter der Heiterkeit und freien
Natürlichkeit zu geben.
Dabei haben verschiedene Zeiten mit verschiedenen
Absichten daran gebaut. Es kann wirklich nur ein
Meister gewesen sein, der ihm die endgültige Fassung
gab, alles Vorhandene so vollständig verarbeitend, daß
nichts die verschiedenen Ursprünge verrät. Schon
darum ist die Streitfrage nach dem Schöpfer zweifellos
im Sinne Burckhardts, des noch heute unangetasteten
Renaissanceforschers, für Vignola zu entscheiden, der
den Übergang von der Hochrenaissance zum Barock
vermittelte und als der letzte wirklich bedeutende
Renaissancebaumeister betrachtet werden kann.
Die Komposition der Wasserwerke, — beginnend
auf der oberen Terrasse mit einem Wassersturz aus
der Höhe der Leitung (Stein) zwischen zwei lieblich
edlen Loggien unter großen, schönästigen Platanen (Abb.
Seite 87); hinabziehend in Form von reichen Brunnen
und axialen Kaskaden — über Terrassen und schräge
Hänge, immer unter Bäumen bis zur letzten Terrasse
mit Brunnen und kaskadengeschmückten Treppen
(Abb. Seite 88 und 83); und dann im blendenden Licht
zur Ruhe gelangend im großen quadratischen Becken, —
das kann ja alles nicht näher geschildert werden, ebenso-
wenig die schöne klare Gliederung und Stufung durch
Terrassen und Hänge, Baumpflanzungen, Balustraden
und Säulen, durch Hecken, Rasen und Blumenbeete.
Wie alles in schönen Verhältnissen ineinandergefügt ist,
klar und sicher und darum frei und natürlich! Wie
viel menschlicher, wie viel höher ist doch solche
Natürlichkeit als die im Garten gepredigte Natur!
Der gesamte Raumeindruck ist ein vollkommener,
unmittelbarer. Über den reich belebten, dennoch nicht
unruhigen Vordergrund des Parterregartens hinweg wird
der Blick von den beiden Kasinos gleichmäßig ange-
zogen, um dann zwischen ihnen in der lockenden
wohlabgestuften Achse in die schattige Tiefe zu dringen.
Keine seitliche Ablenkung, keine Hemmung, keine An-
strengung.
(Hier muß ich endlich einmal eine kurze Be-
merkung über die Auffassung des Raumbegriffes ein-
schalten, um Mißverständnisse zu vermeiden. Raum
ist hier nicht im gewöhnlichen engeren Sinne = Hohl-
raum, umschlossener Raum, gemeint, sondern Raum
an sich, das Dreidimensionale als Gegensatz zur vierten
Dimension, der Zeit, das ganz Weite um uns herum,
das was der Ausdruck des Vorhandenseins ist. Ein je
stärkeres Gefühl des Raumes (auch im Bilde und in
der Plastik) wir erhalten, um so unmittelbarer, tiefer
der Eindruck. Was uns im Gebirge, besonders auf
den Gipfeln, erhebt, ist das starke Raumgefühl; was
uns bei einem Sonnenuntergang am Meere packt, ist
die durch die Farben erhöhte Stärke des unendlichen
Raumeindruckes. Stehen wir innerhalb eines umgrenzten
Teiles von Raum, so nennen wir ihn einen Raum,
mathematisch aber Hohlraum, stehen wir außerhalb,
so erscheint er uns oft als Körper. Beide aber sind
Ausdruck von Raum an sich. Raum wird uns wahr-
nehmbar durch die Form, wozu auch Licht, Farbe usw.
gehören. Um eine volle Vorstellung von einem Gegen-
stand zu erhalten, muß er einheitlich gleichmäßig in
unsere Vorstellung eingehen, also in sich geschlossen
sein. Seine räumliche Erscheinung, seine Wirkungs-
form geht uns ein durch die Verbindung von Flächen-
und Tiefenvorstellungen. Im geeigneten Falle ergeben
sie das Bild. Allein in der Kunst des realen Raumes