XIII, 5
DIE GARTENKUNST.
89
(z. B. in London): man kann sie in der Höhe belie-
big durch Schnitt beschränken; ihr dichtes Blattwerk
läßt kaum je einen Regentropfen hindurch. Und doch
ist dieser vorzügliche Alleebaum bei uns fast un-
bekannt; wann sieht man einmal jung gepflanzte Pla-
tanenalleen?*) Die Londoner Art, Platanus aceri-
folius, findet sich bei uns überhaupt nur in botani-
schen Gärten.
Der anpassungsfähigste Alleebaum ist jedoch die
Linde. Sie schmiegt sich jeder Form, jedem Charakter
an (Seite 90 und 92), und man kann sie überdies beliebig
jeder Form, jedem Charakter gemäß schneiden. An den
Küsten, wo der Seewind, allen landschaftsgärtnerischen
Meinungen zum Trotz, immer zu dichter Allee-
pflanzung zwang, finden wir Alleen von zwerghaften,
wülstig geschnittenen Linden; man könnte sie auch
anderwärts gartenkünstlerisch verwenden; so als Allee-
pflanzung im Gegensatz zu hoch aufragender freier
Waldung, oder vor Monumentalgebäuden. Überhaupt
in der Stadt, gegen Architektur, wird der geschnittene
Baum immer mehr zu seinem Rechte kommen müssen,
wenn man gegenseitige Beziehung von Allee und Archi-
tektur erreichen will. Auch darin verstanden es die
Alten vortrefflich. So pflanzten sie z. B. in Lübec k vor
eine Kirche mit gewaltig aufragendem Turm eine Zeile
kugeliger Rotdornbäume, die gerade so wirken, wie die
Häuslein, die man von alters her gegen die Kirchen
setzte. Sie gaben Maßstab und Verhältnis und lassen
durch ihre eigene Kleinheit den gewaltigen Baukörper Kastanienallee nach Belvedere bei Weimar,
dahinter noch massiger, monumentaler erscheinen. Ein
vorzügliches Beispiel von Alleepflanzung in der Stadt ist schirmförmig flachgeschnittene Linden in weiten Abstän-
de Straße „An der Alster" in Hamburg. Hier stehen den; sie überdecken mit dichtem Blattwerke Fahrbahn
und Bürgersteige und standen bisher, von der
Alster gesehen, in vorzüglich abgestuftem
Verhältnis zu dendreigeschossigenHäusern
dahinter. Jetzt sind auch dort mächtige Zins-
paläste gebaut, vor denen die Allee zwerg-
haft versinkt, und die beste Wirkung ist ver-
loren. Der H a m b u r g e r Baumeister S o n n i n
(2. Hälfte des 18. Jahrhunderts) pflegte um
seine Landkirchen einen Kranz von Linden
zu pflanzen, die, im Schnitt gehalten, nur
das wohlgestaltete runde Kuppeldach mit
der Laterne herausragen ließen ; in einem
Falle (Rellingen) hat man noch diese
Wirkung, in einem anderen (Niendorf
bei Hamburg) hat man die Linden sich
auswachsen lassen, die Kirche verschwin
det dahinter, und Schönheit und Eindruck
ist vernichtet.
Die Linde bildet auch das besondere
Material für die der Allee nächststehende
Art rhythmischen Baumpflanzens, den
Laubengang. Sie begrünt sich bis
unten, und schließt sich zu rundlichen
Formen zusammen, ohne daß viel künst-
liches Hilfswerk dazu getan werden
') ?? Schriftl. müßte. Die Alten pflegten überhaupt nur
DIE GARTENKUNST.
89
(z. B. in London): man kann sie in der Höhe belie-
big durch Schnitt beschränken; ihr dichtes Blattwerk
läßt kaum je einen Regentropfen hindurch. Und doch
ist dieser vorzügliche Alleebaum bei uns fast un-
bekannt; wann sieht man einmal jung gepflanzte Pla-
tanenalleen?*) Die Londoner Art, Platanus aceri-
folius, findet sich bei uns überhaupt nur in botani-
schen Gärten.
Der anpassungsfähigste Alleebaum ist jedoch die
Linde. Sie schmiegt sich jeder Form, jedem Charakter
an (Seite 90 und 92), und man kann sie überdies beliebig
jeder Form, jedem Charakter gemäß schneiden. An den
Küsten, wo der Seewind, allen landschaftsgärtnerischen
Meinungen zum Trotz, immer zu dichter Allee-
pflanzung zwang, finden wir Alleen von zwerghaften,
wülstig geschnittenen Linden; man könnte sie auch
anderwärts gartenkünstlerisch verwenden; so als Allee-
pflanzung im Gegensatz zu hoch aufragender freier
Waldung, oder vor Monumentalgebäuden. Überhaupt
in der Stadt, gegen Architektur, wird der geschnittene
Baum immer mehr zu seinem Rechte kommen müssen,
wenn man gegenseitige Beziehung von Allee und Archi-
tektur erreichen will. Auch darin verstanden es die
Alten vortrefflich. So pflanzten sie z. B. in Lübec k vor
eine Kirche mit gewaltig aufragendem Turm eine Zeile
kugeliger Rotdornbäume, die gerade so wirken, wie die
Häuslein, die man von alters her gegen die Kirchen
setzte. Sie gaben Maßstab und Verhältnis und lassen
durch ihre eigene Kleinheit den gewaltigen Baukörper Kastanienallee nach Belvedere bei Weimar,
dahinter noch massiger, monumentaler erscheinen. Ein
vorzügliches Beispiel von Alleepflanzung in der Stadt ist schirmförmig flachgeschnittene Linden in weiten Abstän-
de Straße „An der Alster" in Hamburg. Hier stehen den; sie überdecken mit dichtem Blattwerke Fahrbahn
und Bürgersteige und standen bisher, von der
Alster gesehen, in vorzüglich abgestuftem
Verhältnis zu dendreigeschossigenHäusern
dahinter. Jetzt sind auch dort mächtige Zins-
paläste gebaut, vor denen die Allee zwerg-
haft versinkt, und die beste Wirkung ist ver-
loren. Der H a m b u r g e r Baumeister S o n n i n
(2. Hälfte des 18. Jahrhunderts) pflegte um
seine Landkirchen einen Kranz von Linden
zu pflanzen, die, im Schnitt gehalten, nur
das wohlgestaltete runde Kuppeldach mit
der Laterne herausragen ließen ; in einem
Falle (Rellingen) hat man noch diese
Wirkung, in einem anderen (Niendorf
bei Hamburg) hat man die Linden sich
auswachsen lassen, die Kirche verschwin
det dahinter, und Schönheit und Eindruck
ist vernichtet.
Die Linde bildet auch das besondere
Material für die der Allee nächststehende
Art rhythmischen Baumpflanzens, den
Laubengang. Sie begrünt sich bis
unten, und schließt sich zu rundlichen
Formen zusammen, ohne daß viel künst-
liches Hilfswerk dazu getan werden
') ?? Schriftl. müßte. Die Alten pflegten überhaupt nur