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Die Gartenkunst — 13.1911

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Wirtschaft und Kunst in der Gartenkultur
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https://doi.org/10.11588/diglit.20813#0114

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106

DIE GARTENKUNST.

XIII, 6

den Standpunkt an. Der aber kann für eine Volks- So oder ähnlich denken oder fühlen heute die

gemeinschaft, für ihre Zivilisation und sich bildende meisten der ernsthaft aufs Große Strebenden. Auch
Lebensanschauung, von der alles ausgeht und der sich die Gärtner? Ich weiß, neun Zehntel von ihnen sind
alles einfügen muß, immer nur einer sein. Frage: noch der Meinung, daß solcherlei Reflexionen nichts
Was gilt da für uns Gartenleute? mit „Gartenkunst" zu tun hätten.

* £ * Eine kleine Erinnerung: Als seinerzeit Stimmen

In einer kleinen Schrift, die sich mit den Aus- riefen, Deutschlands Arbeitskultur in eine Lebenskultur
wüchsen unserer Heimatschutzbewegung befaßt, bringt umzuwandeln, wurde auch die Rückständigkeit des
Prof. Sesselberg diesen komplizierten Vorwurf in Gartenwesens offenbar. Eine der nicht angezweifelten
einen einfachen pla- Ursachen davon war

stischen Rahmen. Er |M«HHMMHWHgM^h|MBH|hh|^h| die kastenmäßige Ab-
sieht ihn im „Rhyth- geschlossenheit ganzer
mus der Geschichte", H Gärtnergenerationen
der zwischen Zeitalter I vom wirklichen
und Zeitalter oft nur I B Leben um sie her. Man
kleine Einschnitte legt arbeitete für Garten-
barock — Rokoko), H| jfi schmuck, -Zerstreuung
gelegentlich aber und -Repräsentanz,
zwischen ganze Grup- ESäHHHVAl Heute, nach der Er-
pen von Zeitaltern HJ| weckimg :
große Klüfte einschiebt ^UlSi&^HB uns auf der Höhe. Die
(Antike — Gotik — ^HH^^^a^^^^H jE Führenden rufen es
Renaissance). Nun, es MMlfl %:&$F&ifRaEBB^^Bm laut und der gespreizte
kann ja doch wohl I HUHf . '' M' ij^g -^^^I^^EhH^H Gang der Gefolgschaft
keine Meinungsver- -aÄ 1 fiiJ»'' I unterstreicht es. Hier
schiedenheit geben, ■/,im>J.L 1 |«L.'^^^w^^^jM^S M 'st enie andere Mei-
daß, um im Bilde zu ja«klf|BL| m nung: Ich glaube, daß
bleiben, das 19. Jahr- I Hl^^^^^^^^^^^^MJfc -Sfjllt£H ü ailch heute noch (oder
hundert, das Zeitalter I Hb. ^jfSKH B wieder) gärtnerische
der Erfindungen, der fl ■^Hftm^^a^3B^^^?^^.,£^.,viW«, '^Ößjmxj^BB^ttk Inzucht getrieben wird,
Technik und des Welt- HS^SShkmsS^H&H^SEbB ^fetPBjBfW 'lai; 1'"' Mehrheit der
Verkehrs, einen Ein- ^W^^HJ^^^^BhS^HHmbHHHHB^^M "^CCWBfPBB Gärtnerschaft, in sb e-
schnitt in diesem Ge- HBhVAi^^» ^M§££mrm& sondere der Gar-
schichtsrhythmus dar- ««*MÄtaiWÄ*^iBAfc*»»i*-" 'jUB^t^M tenbildenden, nicht
stellt, wie er energi- HH .»^3 in innerer Bezie-
scher und umwälzen- - . jHHHHHI HiL ^MMMfcjihung zu den Kri-
der nie da war und BhiS stallisationspunk-
nicht gedacht werden ten der modernen
kann. Auf dieser Arbeit B Entwickelung
beruht das Dasein steht. Das, was sich da
unseres Geschlechts. jfe heute ziemlich schüch-
Wir durchwirken sie tern als „neuzeitliche

geistig. Es gibt kaum 1^-Gartenkunst" produ-

einen Zweig unserer so Münchener Erühjahrsblumenausstellung 1911. Seitengang im Klosterhofe. zjertj erscheint mir in
vielseitigen kulturellen vieler Hinsicht wie vor-

Bestrebungen, solcher Vergeistigungen, der nicht mittel- dem äußerlich und dekorativ, nur unter einer anderen
bar oder direkt von dieser großen umfassenden „Vor- Form. Und demgemäß noch ohne nennenswerten Einfluß
kultur der Arbeit" sein Leben herleiten müßte, auf unsere Kultur im ganzen. Die Ursache ist schon an-
Diesem neugeschaffenen kulturellen Rohstoff kann gedeutet. Wir glauben im allgemeinen unsere ethische
logisch nur eine Rhythmisierung gleichwertig sein, die Verantwortlichkeit erfüllt zu haben, wenn wir den
ihm innerlich entspricht. Ein solcherart vorbewußtes, schönen Willen zeigen, „künstlerisch" zu arbeiten,
gesetzmäßiges Formbilden auf allen Gebieten des Damit aber nützt man zunächst gar nichts,
realen Lebens ist aber hinwiederum undenkbar ohne Denn Kunst ist noch keine Kultur. Ja, ohne deren
ein gewisses Maß freiheitlicher Überwindung Mantel hat sie oft nicht mehr als schöne Spielerei
der natürlichen Hemmungen. Für uns kann nur gegolten. So spielt man heute „Gartenkunst" in
gelten: Entweder ein neuer einiger Kulturwillen trautem Kreise. Indessen draußen eine drängende
bricht sich Bahn, oder — unsere Geschichte kerbt Fülle von Sachaufgaben wartet, Aufgaben, die sich
eben eine lächerlich bescheidene Rille. nicht „nachher" erledigen lassen.
 
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