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Geffcken, Johannes
Der Bildercatechismus des funfzehnten Jahrhunderts und die catechetischen Hauptstücke in dieser Zeit bis auf Luther (Band 1): Die zehn Gebote, mit 12 Bildtafeln nach Cod. Heidelb. 438 — Leipzig, 1855

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https://doi.org/10.11588/diglit.1411#0084
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behandelt. Da der Mord eine der rufenden Sünden ist., so nimmt er auch die drei andern: Sodomie, Unter-
drückung und Vorenthalten des Lohns mit. Da der Mensch durch Verleumdung in Verzweiflung gerathen und
sich das Leben nehmen kann, so redet Herp in Sermo 8—10 de detraclione et susurratione, was doch zum
achten Gebot gehören würde. Da der Mord den Bann herbeiführt, so widmet Herp Sermo 11—23 dem Banne,
wobei dann auch beiläufig die Privilegien der Cleriker und Anderer besprochen werden. Der Bann führt
Sermo 24—25 zum interdictum, Sermo 26—27 zur suspensio, Sermo 28—31 zur irregularitas u. s. w., so dass
im Grunde nur wenig für den eigentlichen Gegenstand des Gebotes übrig bleibt, wobei denn noch spitzfindige
Fragen behandelt werden, wie ob es strafbarer sei, einen Sünder oder einen Gerechten zu tödten. Hollen hat
seinen Gegenstand präciser behandelt, indem er die Ueberlretungen des Gebotes unter drei Rubriken ordnet:
1) corde, 2) ore, 3) opere. Eigenthümlich ist ihm die Anwendung des Gebotes auf die Prediger, welche es
unterlassen, die Wahrheit unerschrocken zu verkündigen, denn nicht nur durch Lüge sei man ein Verräther
der Wahrheit, sondern auch, wenn man sie nicht unerschrocken bezeuge. Es gebe nun dreierlei Prediger:
1) die Apostel, 2) ihre Nachfolger, 3) die Modernen, die nur immer Frieden haben wollen, und stumm, blind
und taub sind. Er führt den folgenden Vers an. Sie verkündigen die Wahrheit nicht.

Sonder se dwingen eynen andern nagcl, (? etwa: sie verfolgen ein andres Ziel)

Se riden ia den fosz zagel (cauda: Graff. also: sie reiten den Fuchsschwanz)

Se prediken nu den luden

Von bartholomeus huden. (Haut, also: von dem geschundenen Bartholomcus)

Se taten der lüde sunde staen,

Uppe dat se de gunst entphaen,

Se striken oc den valen pagen, (Pferd B. N. W., also: sie streicheln auch das fahle Pferd)

Dat wil ic gode altijt clagen.

Beralt unterscheidet den körperlichen und geistlichen Todschlag. Der Erstere geschehe ohne Schuld.
1) durch Gericht, 2) durch Nothwehr, 3) durch Zufall, aber strafbar, 4) durch den Willen, 5) Befehl, 6)Rath,
7) Verteidigung des Mörders, 8) Verrath, Judas, 9) ungerechtes Gericht, Pilatus, 10) Entziehung der Hülfe
in Todesgefahr. Der geistliche Todschlag: 1) durch Hass, 2) Willen, 3) Ueberreden zum Bösen, 4) Unter-
lassen brüderlicher Ermahnung, 5) böses Beispiel, 6) wenn man den Erben ungerechte Güter hinterlässt,
(Beil. S. 6), 7) wenn man den Armen die nolhdürftige Nahrung entzieht, 8) durch Verläumdung. Von dieser
detractio handelt Herolt ausführlich in drei Abschnitten.

Nider zieht unter das Gebot die Todsünden Zorn und Neid nebst ihren Töchtern, die ja allerdings
auch die Ursachen der Ueberlretungen desselben sind, und redet dann von der Liebe, weiche der Christ dem
Feinde schuldig ist, wobei er besonders das hervorhebt, dass wir den Bruder liebevoll ermahnen und strafen
sollen, und ihm kein böses Beispiel geben dürfen.

Lanzkranna bestraft besonders die eigenwillige Selbsthülfe, die Verstümmelung und Lähmung des
Feindes. (Augsb. 1484, Bl. 63.)

Marcus von der Lyndauwe lässt die Nothwehr nur zu, wenn man nicht fliehen kann. "Wolt aber
yemant mir mein gut nemen, so sol ich nyemant tödten." Einen Unglücksfall bezeichnet er: "wirt yemant
erlödtet von geschichte," z. B. wenn der Klöppel einer Glocke herabfällt. Ist das aber durch ein "■unzimlich
(illicitum) werk" veranlasst, wie Schiessen über eiuen Weg, so ist es Todsünde. — Merkwürdig ist, dass er
doch urtheilt, es sei schwerer, den leiblichen als den geistlichen Vater zu tödten, es sei denn, dass der Vater
ein Ketzer, oder sonst ein böser Mensch wäre. — Die Frage, ob es schwerer sei, den Vater oder die Mutter
zu tödten und zu beschädigen, entscheidet er dahin, es sei gleich. Wenn aber Vater und Mutter in gleicher
Nolh sind, so soll er der Mutter zu Hülfe kommen. Auch die Frage beschäftigt ihn, ob es eine grössere Sünde
sei, einen Christen oder Juden und Ungläubigen zu tödten. Er entscheidet sich mit grossem Eifer dafür, es sei
grössere Sünde, einen Christen zu tödten. Man habe zwar gesagt, es sei schwerer einen Juden oder Ungläubigen
 
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