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Galeric Schack.

nacherzähltes ähnliches Kraftstücklein gar nicht unglaublich sei. In seinem Atelier, einem schmutzigen
Zimmer, dessen Mobiliar ein Paar zerbrochene Stühle und einige zum Studium der Flügel an die Wand
o-enao-elte Falken bildeten, pslegte er völlig unbekleidet herumzuspazieren und zu arbeiten, da er
seinen eigenen herrlich gebauten, etwas herkulisch gerathenen Körper als Modell benützte. Es
scheint, dass einige nordische Nachbarn vergeblich den Versuch gemacht haben, dem Künstler diese
Gewohnheit, an welcher die eingebornen Hausgenossen mit echt italienischer Gleichgiltigkeit gegen die
weitoehendsten Äusserungen der Natürlichkeit keinen Anstoss nahmen, durch eine hohe Obrigkeit aus-
reden zu lassen; doch soll er dadurch um sein Stipendium gekommen sein, als einst seine Beschützerin
ihn unangemeldet besuchte und auf sein unbefangenes „Herein I" als Modell zu einem griechischen
Helden antraf, was seine Feinde als geflisfentliche übermüthige Beleidigung der hohen Frau darzustellen
sich beeilten. Keinesfalls hat (ich der Künstler bei seiner heroischen Charakterstärke und stoischen
Bedürfnisslosigkeit durch dieses oder irgend ein anderes äusseres Ereigniss in seinen Lebens- und
Kunstanschauungen beirren lassen; nicht einmal dem allbezwingenden Eros, dessen Walten im Leben
Genelli's das Blatt „Amor als Peiniger" seiner Biographie rückhaltslos beichtet, dürfte er den stolzen
Nacken gebeugt haben. Obgleich er sich in Rom wie in der späteren Lebenszeit gerne der Einsamkeit
ergab und dadurch manche Gelegenheit, im Leben vorwärts zu kommen, verabsäumte, so blieb er doch
nicht allein. So verkehrte er viel mit dem phantastischen, poetisch veranlagten Maler Müller; mit
dem um eine ganze Generationsdauer älteren Koch verband ihn eine ungewöhnliche Freundschaft, die
in der Gemeinsamkeit ihrer Kunstanschauungen fest wurzelte. Der alte Tiroler liebte den jungen Nord-
deutschen so sehr, dass er selbst nach dessen Abgang von Rom noch lange Zeit häufig in Genelli's
frühere Wohnung kam, um daselbst in gewohnter Weise sein Nachmittagsschläfchen zu machen und
sich einzubilden, er befinde sich bei seinem Freunde. In ihm erblickte Koch mit Recht den berufenen
Nachfolger von Carßens, dem unglücklichen hellenischen Geiste „ex Chersoneso Cimbrica," wie dieser
gelegentlich seine Compositionen signirte, dessen letzte Lebensjahre in Rom Koch in seiner Jugend
mit durchlitten hatte. In der That hat Genelli so sehr im Geiste von Carßens gedacht und geschaffen,
dass einzelne seiner Compositionen und Figuren mit denen des schleswig'schen Meisters eine auffallende
Ähnlichkeit besitzen und verwechselt werden könnten, wenn nicht Genelli im Allgemeinen die Neigung
besessen hätte, alle Formen, nach Art seiner eigenen, kräftig, mitunter sogar masiig zu bilden.
Genelli's Hang zur Satire, welchem er in beissenden Caricaturen fortwährend die Zügel schiessen
liess, trug auch dazu bei, ihn zu Isoliren. In seinem ärmlichen Studio lebte er in der Gesellschaft längst
abgeschiedener Geister. Das alte Testament, die Ilias und Don Ouixote lagen (tets aufgeschlagen herum;
mitÄschylos, Sophokles und Dante verkehrte er ebenfalls häufig. Auf diesen Gipfeln des menschlichen
Geistes suchte er, was ihn allein anzog, allein ihn zum Schasfen begeisterte: poetische Schönheit. So hat
Genelli in Rom den Grund gelegt fast zu Allem, was er nachmals hervorgebracht, und ein grosser
Theil seiner Werke entspringt unmittelbar der römischen Zeit; auch die Formensprache, die er sich dort
zu eigen gemacht, hat sich nachmals wenig geändert. Zwei seiner bedeutendsten Bilder, welche die
Galerie Schack zieren, den „Raub der Europa" und „Herakles Musagetes bei Omphale," hat er im
Alter nach Entwürfen aus der römischen Zeit gemalt. Daher bemerkt Jordan mit Recht, „dass man
aus der ganzen Produclion Genelli's sast nur den Eindruck der Entwicklung in die Breite gewinnt, so
unverändert blieb sein künstlerisch'es Wollen sich selbst getreu." In die Öfsentlichkeit drang von
Genelli's Arbeiten fast keine; nur im Jahre 1829 hat er zu einer Ausstellung moderner Bilder im
1 Das Blatt „Modell-Dienst" seiner Selbstbiographie weist am ileutlichsten die siberkritstigen Formen Genelli's und reine abnorm breiten
Hand- und Fussgelenke aus, welchen er auch seinen Figuren ra geben pflegte. Seine Gewohnheit, unbekleidet im Atelier zu häusen, ersahren wir
aus den Blättern „Siesta" und,,Im römischen Studio;" aus dem letzteren ist die llias in der Hand derein/ige Ballast seines Körpers. Ergötzlich ist das
Blatt, woraus ein zu Besuch kommender geistlicher Würdenträger bei der Thür zurücksährt, als er der Toilette des Künstlers ansichtig wird
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