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Galerie Schack.
Bühnenvorhang- ausführen zu lassen und so einen edlen künstlerischen Schmuck zu gewinnen, lässt sich
nur begreifen, wenn man bedenkt, dass Genelli auch jetzt noch von den Kunstliebhabern weit weniger
gekannt ist, als er sein sollte Denn selbst jene cyklischen Compositionen, welche in Nachbildungen
publicirt worden sind, haben noch lange nicht die verdiente Verbreitung gefunden. Hiezu gehören
vor Allem der schon 1840 entstandene, achtzehn Blätter umfassende Cyklus ' „Aus dem Leben eines
Wüstlings," eine merkwürdige freie Gestaltung des Don Juan-Stoffes, der als Motto die Bibelstelle
trägt: „Wenn die Lust empfangen hat, erzeugt sie die Sünde; die Sünde aber, wenn sie vollendet ist,
erzeuget den Tod." Fast zu gleichen- Zeit entwarf Genelli den Cyklus ,,Das Leben einer Hexe/' ~ welcher
die Rettung einer früh und unverschuldet dem Laster verfallenen Frauenseele ergreifend darstellt und
von seinen Commentator Ulrici nicht unpasfend ein Gegenstück zum ,,Faust" genannt wurde. In
diesen beiden Folgen frei erfundener Bilder hat der Künstler seine Individualität ebenso klar als
interessant ausgesprochen; nicht so sehr bedeutend als anmuthig zeigt sie sich in dem bereits angeführten
Cyklus „Aus dem Leben eines Künstlers," welcher den eigenen Lebenslauf Genelli's in poetischer Ver-
klärung schildert und den man treffend mit „Wahrheit und Dichtung" aus Goethe's Leben verglichen
hat. Minder glücklich war Genelli als an die Worte eines Dichters gebundener Illustrator; indess sind
seine Umriss-zeichnungen zu Homer? wie selbstverständlich, weitaus gelungener, als die zur „Göttlichen
Comödie."4 Der Nachlass enthält einen unbekannt gewesenen, aus fünf Blättern mit Text von desMeisters
Hand bestehenden Cyklus „Aus dem Leben einer Feenkönigin," ein frei erfundenes classisch-roman-
tisches Märchen, welches seiner Conception nach im Werke des Meisters vereinzelt dasteht.
In dem letzten Jahrzehnte, das Genelli in München zubrachte, hatten sich seine Verhältnisse besser
gestaltet. Sein Freund Kahl hatte ihm mehrere Aufträge in Wien vermittelt und einzelne Compo-
sitionen fanden auf Kunstvereinsausstellungen Käufer. In den Tagen seiner Noth war er ungebrochen
und schaffensfreudig geblieben; nun, da die Sorge um das tägliche Brod endlich doch gewichen war,
widerstrahlte sein Wesen noch stärker jene olympische Heiterkeit, die ihn zum geistigenMittelpunkte einer
fröhlichen Tafelrunde von Künstlern und Schriftstellern machte. Lützow erzählt,5 „dass die Genuss-
fähigkeit des im Lebensalter vorgerückten Künstlers seine jüngeren Freunde, die sich rühmen konnten,
in diesem Punkte auch nicht von ganz schlechten Eltern zu sein, mit Bewunderung erfüllte."''' Ein Glück
sür ihn war der Auftrag, für die entstehende Galerie Schack den „Raub der Europa" auszusühren, mit
welcher Arbeit er Ende 1858 fertig wurde. Genelli beklagt es einmal brieflich seinem Freunde Rahl
gegenüber, dass er in der Jugend und im Mannesalter „keinen Proteftor gefunden und dass ihm
der tresfliche Schack etwas zu spät erstanden sei". Dennoch hat diese Verbindung dem Künstler die
Gelegenheit geboten, zu zeigen, dass er auch zu malen verliehe, zwar nicht wie Tizian, aber wie Genelli,
wie einer seiner Freunde geistreich schrieb, als bei Ertheilung des ersten Auftrages zu einem Ölgemälde
fiir die Galerie Schack öffentlich bezweifelt wurde, dass Genelli malen könne. Nach Vollendung des
„Raubes der Europa" erhielt Genelli auf Preller's Betreiben zugleich mit B'öcklin und Lenbach einen
1 „Aus dem Leben eines Wüstlings" von Buonaventura Genelli, lithographirt von Georg Koch. iS Taseln mit Erläuterungen. Leipzig,
F. A Brockhaus, 1866. Die urspriinglichen Zeichnungen hatte Prinz Albert erworben; sie wurden vom Künstler für den Verleger wiederholt
2 „Das Leben einer Hexe" in Zeichnungen von Buonaventura Genelli, gestochen von Heinrich Merz und C. Gonzenbach, mit erläuternden
Bemerkungen von Dr. Hermann Ulrici, auf Kosten von Julius Buddeus in Düsfeldors und Rudolph Weigel in Leipzig.
•' B. Genelli's „Umrisse zum Homer," mit Erläuterungen von Dr. E. Förßer, Stuttgart, J G. Cotta, 1866.
4 Umrisse zu Dantc's „Göttlicher Comödie." Neue Ausgabe mit Text von Dr. Max Jordan in 36 Kupfertafeln. Leipzig, Alphons Dürr,
5 In einem unverösfentlichten geistvollen Vortrage, den C von Lützow im Jahre 1874 im üsterreichischen Museum über Genelli and
seinen künstlerischen Nachlass gehalten hat.
r' Diese Symposien schildert PauM/ey/e in seiner phantasiereichenErzählung „Der letzte Centaur," einem werthvollen Beitrag zur Biographie
Genelli's Es wird just kein Nektar gewesen sein, was die Ritter vom Geiste in der Weinhandlung Schimon tranken, denn Geibel sang nach
der Melodie des „Dies irae" herzergreisend: Sed post Schimonense vinum — Malnm venit matutinum — Luctum quod vocant selinum !" Aber
Genelli wurde durch diesen Wein angeregt, that es allen Andern zuvor und ging stets als der Letzte sest und ausrecht von dannen
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