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Galerie Schach.

dem Genuss von Kunst und Natur sich hingebend, Trieb zu neuen Thaten schöpft. Daraus, dass der
Künstler alle seine Gestalten in eine selbstgeschaffene Welt zu versetzen liebt, erklärt sich, dass ihn weder
das Seiende anzog, noch das Gewesene, das Historische; Historienbilder im landläufigen Sinne des
Wortes hat er nie componirt und selbst dort, wo er dem alten oder neuen Testament einen Stoff ent-
nimmt, entkleidet er ihn seines specifischen Charakters, kehrt die rein menschliche Seite heraus und
o-ibt ihm mitunter, wie der erwähnten „Verkündigung der Geburt Isaak's", einen seltsamen mytho-
logischen Anstrich. „Über Heilige traue ich mir kein Urtheil zu" schrieb er einmal an Rahl, und er
hat sich auch stets davor gehütet, einen Stoff aus der Bibel im religiösen Sinne zu behandeln. Was
über das rein Menschliche hinausgeht, liegt ihm ferne; wo er allegorische Figuren anbringt, deren
häufige Verwendung ihm zum Vorwurf gemacht worden ist, sind sie nicht schwer begreifliche, decorative
Statisten, wie selbst bei Rubens, sondern hnnige, aus sich selbst heraus verständliche Personificationen
menschlicher Zustände. So besteht der Bühnenvorhang aus der Galerie Schach ausschliesslich aus
allegorischen Figuren; aber wer bedürfte eines Commentars zu denselben, wem leuchtete die Bedeutung
der Gestalten im Einzelnen und im Zusammenhange nicht von selbst ein r Genelli's Gestalten bewegen
sich aber nicht nur im Reiche der reinen Menschlichkeit, sondern auch in dem der reinen Schönheit. Dieser
allein huldigt der Künstler; sie allein ist ihm, wie Lützow trefsend bemerkt hat, „Vaterland, Religion,
Alles." Völlig missverstanden ist daher der Vorwurf von Pccht: „dass Genelli's Menschen fast alle posiren,
und dass kein Maler je der schönen Linie so ungeheure Opfer gebracht habe, so dass er nicht entfernt
so dramatisch wirkt wie Cornelius oder selbst Kaulbach." In dem fast ausschliesslichen Hinarbeiten auf die
Schönheit als obersten Zweck ihres Werkes liegt gerade das Charakteristische der Kunst Genelli's ; hätte
er, beispielsweise, die „schöne Linie" nicht auch in der „Schlacht des Lykurgos" festgehalten und etwa
die dramatische Kraft der „Amazonenschlacht" von Rubens angesttebt, so wäre er nicht, der er ist.
Mit der Erhebung der absohlten Schönheit zum obersten Princip seiner Kunst steht Genelli's
Meisterschaft in der Composition im engsten Zusammenhange. Nicht in der „Linie", nicht in den Einzel-
heiten allein herrscht bei ihm die Schönheit, sondern auch im ganzen Aufbau seiner Schöpfungen.
Über eines seiner Hauptwerke hat ihm Rahl geschrieben: „Die Omphale löst die schwere Aufgabe,
alle Bilder harmonisch trefflich zu verschmelzen, ohne die Einheit zu gefährden. Wie schlimm hätte
das mit ein wenig Brutalität und sogenanntem verkehrten Effecft werden mussen. Seit der Farnesina
ist sonst schwerlich so etwas Originelles gemacht worden." Den gleichen Lobspruch verdienen fast alle
grösseren Compositionen Genelli's, insbesondere die Ölbilder der Galerie Schach; sie vereinigen Klar-
heit der Anordnung und Übersichtlichkeit der Gruppirung mit hoher Schönheit der gesammten
Erscheinung. Meisterhaft versteht es der Künstler, eine Hauptfigur oder Hauptgruppe zum Brennpunkte
einer Composition zu machen, ohne den Effecl der übrigen Figuren irgendwie zu opfern; jede einzelne
Gestalt bleibt für sich interessant und bedeutend, ohne die Zusammengehörigkeit zum Ganzen zu ver-
lieren oder gar aus demselben herauszutreten. Ein treffliches Beispiel dieser concentrirenden Kraft des
Künstlers bietet seine „Lykurgosschlacht". Von der Hauptgruppe aus pslanzt sich die Motivirung und
Bewegung der Composition wie der mächtig anschwellende und ausklingende Accord einer aus allen
Registern tönenden Orgel harmonisch fort bis zu den äussersten Figuren. Unter allen Compositionen
Genelli's kennen wir keine, die loser gefügt wäre, als deren Einheitlichkeit es zulässt.
Auch die Formensprache Genelli's ist, trotz mancher Bildungsmängel, durchaus geeignet, die
Schönheit auszudrücken, wenn ihr gleich ein grösserer Reichthum zu wünschen wäre. Es kommt ihr zu
statten, dass der Künstler in der Regel Stosfe gewählt hat, welche ihm Gelegenheit boten, die Körper
unbekleidet darzustellen, wofür er eine in der ganzen Richtung seiner Produktion begründete Vorliebe
hatte; eine entsprechende Abneigung lebte in ihm gegen die Gewänder, mit denen er nicht zurecht kam
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