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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 13.1890

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Heft 6
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Kupferstiche und Holzschnitte Alter Meister in Nachbildungen der Deutschen Reichsdruckerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.3812#0164
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heliographische Institut der Deutschen Reichsdruckerei, welchem der 1882 aus Wien nach Berlin
berufene Professor Wilhelm Roese vorsteht, auf einer Höhe technischer Fertigkeit sleht, in der ihr
derzeit weder in Paris, Wien oder München eine ebenbürtige Concurrenz gleichkommt, so Vorzüg-
liches auch an jenen Orten auf dem Gebiete reproducirender Technik hervorgebracht wird.
Das Werk wendet sich nicht sowohl an die exelusive Gemeinde der Sammler und gelehrten
Kenner alter Kunst, als vielmehr an die Kreise derer, welche das aufregende und so vielumfassende
Schauspiel moderner Kunst in ihrer Freude an dem Guten alter graphischer Kunst nicht wankend
gemacht hat. Und diese Kreise sind heutzutage nicht so eng, wie verdriessliche laudatores temporis
acti glauben machen wollen. Wem es ernst ist um die Mehrung und Vertiefung des künstlerischen
Genusses, der weiss wohl, dass er nicht auf den Jahrmärkten moderner Kunst die innige Befriedigung
finden kann, welche er begehrt. Mit Freuden wird er zu einem Werke greifen, das zu einem ver-
hältnissmässig lehr geringem Preis ihm einen wahren Schatz von Meisterwerken alter Kunst zur
bequemen Handhabe bietet. In der ruhigen Betrachtung dieser Blätter, deren künstlerischer Gehalt
so mittheilsam zu Herz und Sinnen redet, wird er das Glück nachempfindenden Genusses weit mehr
kosten. als es ihm sonstwie möglich ist. Auf den Pfaden stiller Sammlung, ernster Vertiefung wird
echter Kunstgcnuss und wahres Kunstbedürfniss gewonnen, nur da wächst das Verständniss, bildet
sich der Geschmack zu bleibendem Besitzthum.
Der Name Friedrich Lippmann's, des verdienten Leiters des Berliner Kupferstichcabinets, bürgt
für den Werth der getroffenen Auswahl. Nicht auf die Rarität der reproducirten Blätter, auf ihren
charakteristischen künstlerischen Gehalt war die Aufmerksamkeit bei der Zusammenstellung der
Blätter gerichtet. Die verschiedenen Schulen graphischer Kunst innerhalb einer dreihundertjährigen
Entwicklung werden durch bezeichnende Werke hervorragender Meistcr, im Auszuge gleichsam,
veranschaulicht. Einunddreissig Kupferstiche und zwanzig Holzschnitte sind in der ersten Mappe
enthalten, und wenn auch mit dielen fünfzig Tafeln die weise Öconomie des ganzen auf vier Mappen
berechneten Werkes noch nicht klar zum Ausdruck kommen konnte, so geben sie doch ein viel
versprechendes Bild. Nicht nur lernen wir durch die durchwegs vorzüglich faesimilirten Blätter
die wichtigsten Gattungen graphischer Kunst in hervorragenden Proben kennen — den einfachen
Holzschnitt, den Farbenholzschnitt; den Stich, die Radirung, die Schabkunst — sondern auch viele
deutsehe, italienische, niederländische und französische Vertreter graphischer Kunst mannigfacher
Art ziehen an uns vorüber.
Holzschnitte von Dürer (4), Lucas Cranach (2), Hans Baidung, Urs Graf, Hans von Kulmbach,
Nicolaus Meldemann, Hans Sebald Beham (2), Tobias Stimmer und dazu ein Farbenholzschnitt von
Johann Wechtlin, ein Symbol des Todes, sind charakterische Werke aus der Blüthezeit des deutschen
Holzschnittes. Ihnen reihen sich an vier hervorragende Blätter der niederländischen Schule — von
Lucas van Leiden und aus späterer Zeit Holzschnitte von Christoph van Sichern, Christoph de Jegher
und Jan Livensz (Farbenholzschnitt). Die italienische Holzschneiderschule tritt nur mit einem
interesfanten Blatte des Meisters J. B. mit dem Vogel: Meleager und Atalante, hinzu, Sämmtliche
31 Holzschnitte sind nach guten Originaldrucken und in der genauen Grösse der Originale auf zinko-
graphischem Wege vervielfältigt.
Reicher und mannigfaltiger stellt sich die Auswahl der Kupferstiche dar. In den heliographischen
Reproduktionen derselben, bei denen oft ausserordentliche Schwierigkeiten zu überwinden waren,
tritt die Sorgfalt, mit der sie hcrgestellt wurden, in geradezu beängstigender Weise zu Tage. Druck-
und Papierfarbe sind täuschend nachgeahmt; eine Menge Blätter könnten lange als unerkannte
Plagiate auch gewiegte Kenner täuschen, trügen sie nicht auf ihrer Rückseite den verrätherischen
 
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