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Dieselbe Benennung trug noch vor Kurzem das herrliche Bildniss in der kaiserlichen Gemälde-
galerie zu Wien, welches in Johann Lindner's wohlgelungenem Stiche den Lesern vorliegt. Es ist
der sogenannte Vesalius, von Anderen für Sansovino ausgegeben, unzweifelhaft das Porträt irgend
eines kunstübenden Landsmannes des Moroni, wahrscheinlich eines Bildhauers, der mit lebhaft auf
den Beschauer gerichtetem Blick den Torso einer kleinen männlichen Figur in beiden vorgestreckten
Händen hält. Man kann nichts edler Männliches und kraftvoll Schöneres sich denken als diese
schlanke Gestalt mit dem jugendlichen, fein gezeichneten, von braunem Bart umrahmten Gesicht
und den sehnigen, durch den zurückgestreiften Ärmel blossgelegten Körperformen. Der Adel der


Der Schneider. Von Gio. Batt. Moroni. (National Gallery in London.)

Erscheinung erklärt genügend die frühere Bestimmung als Tizian. Und doch spricht Alles zwingend
für Moroni: das Momentane der Situation, die Schärfe der Charakteristik, der durchaus realistische,
bis in das feine Leben der Epidermis eindringende malerische Vortrag. — Eine ausgesprochen viel
derbere Charakteristik lebt in dem zweiten Moroni'schen Bilde der kaiserlichen Galerie. Dasselbe
galt früher für ein Werk des Johann von Calcar. Und es hat in der That etwas Niederländisches
in dem schlichten Realismus seiner Auffassung und Behandlung, wie so manches andere Werk des
Moroni. Es kann von keinem andern Meister, als von ihm, auch hier die Rede sein, wie schon
A. Krafft richtig herausgefühlt, Otto Mündler zuerst mit Sicherheit erkannt hat. Während das erst-
erwähnte Bildniss mit seinen zarten, grauen Tönen in der Modellirung des Kopfes die Kunst des
Moroni auf ihrer vollen Höhe zeigt, gehört das zweite, seiner in's Röthliche gehenden Carnation
 
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