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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 14.1891

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Bode, Wilhelm: Die Italiener, Franzosen, Altniederländer und Deutschen in der Schweriner Galerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.3325#0101
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Ein paar als „Schüler von Frans Pourbus d. Ä." bezeichnete BildnilTe eines i'chönen alten Mannes
und seiner Frau (Nr. 844 und 845) scheinen mir Werke der älteren Amsterdamer Schule, wohl des
Cornelis van Voort, Aus derselben Schule flammt, wie ich glaube, das männliche Porträt vom
Jahre 1626, welches ganz allgemein der holländischen Schule zugewiesen ist (Nr. 486); ein energisch
aufgefasstes Bildniss von kräftiger, jetzt aber gar zu ledergelber Farbe des Fleisches. Der Künstler
scheint mir Martin van Valckert zu sein.
Unter den Bildern der älteren deutschen Schule sind die Theile eines grossen Altarwerkes von
einen merkwürdigen niederdeutschen Künstler der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts
(Nr. 735 — 743) besonders beachtenswerth. Das Altarwerk, von welchem diese einzelnen Tafeln die
Hauptbestandtheile sind, befand sich ursprünglich in der Englandfahrer-Kapelle der Johanniskirche zu
Hamburg. Auf dem ersten Blick wird man glauben, ein Werk der Kölner Schule, von einem Nachfolger
des Meisters Wilhelm, vor sich zu haben. Aber das Vorkommen verwandter Bilder in ganz Nieder-
deutschland und vereinzelt (trotz der Verheerungen in den Bilderstürmen) auch in Flolland lässt darauf
schliessen, dass in der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts in ganz Niederdeutschland, Holland
eingeschlossen, eine verwandte Kunstrichtung herrschte, die in Köln ihren Mittelpunkt hatte und von hier
aus auch wohl mehr oder weniger beeinssusst wurde. Dass dieser Meister der Hamburger Altartafel ein
Hamburger von Geburt oder dort wenigstens ansässig war, dafür spricht der Umstand, dass sich kürzlich
in Hamburg noch ein Werk dieses Künstlers gelunden hat, welches die Petrikirche der Städtischen
Kunsthalle leihweise überlassen hat: ein Ecce homo von merkwürdiger Grösse der Auffassung und
coloristischer Wirkung. Ein kleineres Bild desselben Motivs und von ganz verwandtem Charakter besitzt
das Museum zu Leipzig; leider ist die Herkunft dieses Bildes unbekannt.
Ein etwas jüngerer niederdeutscher Maler derselben Richtung, freilich ein derber und fast roher
Geseile, verräth sich in der Kreuzschleppung (Nr. 744). Erst im Anfange des sechzehnten Jahrhunderts
entstand (wie es scheint in Lübeck, dessen Thürme im Hintergrunde) der Flügelaltar mit der Legende
des heiligen Joachim (Nr. 745); ein Werk, das schon den vollen Verfall dieser Schule charakterisirt.
Die jüngere kölnische Schule, die auf den Schultern des Meisters Stephan sleht, ist durch ein
tüchtiges Altarwerk des unter dem Namen „der Meister von St. Severin" bekannten Künstlers vertreten;
ein dreitheiliges Bild mit Maria und den Heiligen Augustinus und Helena (Nr. 570). Die Figuren haben
die charakteristischen gestreckten Formen, die ruhige Haltung, den ernsten, fast trübseligen Ausdruck,
welche diesem Meister eigenthümlich sind; die Farbe ist ungewöhnlich tief für ihn. Ein zweites, gleichfalls
wohl mit Recht der kölnischen Schule zugeschriebenes Bild, die grosse Kreuzabnahme (Nr. 571), ist
entweder eine alte Copie nach einem frühen Werke des B. Bruyn oder die Arbeit eines etwas jüngeren,
wenig begabten Nachfolgers dieses Künstlers, der trocken und kalt in der Färbung, gering und
slüchtig in der Zeichnung erscheint und ohne feinere Empfindung ist.
Unter mehreren Bildern der oberdeutschen Schule ist nur das Flügelbild mit einer Krankenheilung
(Nr. 752) nennenswerth; ein Werk fränkischer Herkunft, das wohl auf die Werkstatt des Hans Pleiden-
wurs zurückgeht. Als ,,oberdeutsch um 1544" ist die figurenreiche Darsteilung des „ Gastmahls des
Balsazar" (Nr. 755) bezeichnet, welches die Jahreszahl 1544 trägt. Ich glaube, es lässt sich dafür ein ganz
bestimmter oberdeutseher Meister namhaft machen, der Nürnberger Georg Pencz. Die eigenthümliche
Mischung deutseher und italienischer Elemente, insbesondere der Einssuss venezianischer Meister in der
Art des Carpaccio und Mansueti, der sich hier in der Composition, in der Architektur und den zahl-
reichen kleinen Figuren verräth, ist ebenso charakteristisch sür Pencz, wie die Zeichnung und Costüme
der Figuren und die Farbengebung. Freilich ist das Bild, das obenein auch stark beschädigt ist, eine
besonders geringe handwerksmässige Arbeit, wahrscheinlich bloss aus der Werkstatt des Künstlers.
 
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