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welche in der Fremde ausgebildet wurden und hier das Hauptfeld ihrer Thätigkeit suchen mussten.
Ihrem Beispiele mussten auch die weniger begabten Künstler während des dreissigjährigen Krieges
und nach demselben folgen; doch jetzt war es nicht mehr der Süden, sondern der Norden, namentlich
das stammverwandte Holland, welches diese Talente anzog und mit sich verschmolz. Wer sich in den
Nachbarprovinzen: in Westphalen, Friesland, am Rhein bis hinauf nach Frankfurt künstlerisch begabt
glaubte, ging nach Holland, wo er tüchtige Lehrer und ein wohlhabendes kauflustiges Publicum fand.
Freilich alle diese deutschen Holländer sind unschwer von den echten Holländern zu unterscheiden.
Es fehlt ihnen sämmtlich jener angeborene malerische Sinn der Holländer, neben denen daher selbst
ein Lingelbach, ein Netscher, Backhuisen oder Mignon nüchtern und hart erscheinen. Wenn einer allen-
falls eine Ausnahme macht, so ist es ein Maler aus dem beinahe kunstlosen Osfen Deutschlands, der
Leipziger Ntcolaus Knupfer. Dass Knupfer ein malerisch ungewöhnlich veranlagtes Talent besass, geht
daraus hervor, dass dies Talent trotz der elendesten Lehrer und bei dem Fehlen aller guten Vorbilder
in seiner Heimat doch nicht unterdrückt wurde. War der Künstler doch im Stande, als er im sieben-
undzwanzigsten Jahre nach Holland kam und in Utrecht zu A. Blomaert in die Lehre ging, noch zu
verlernen, was jene Stümper an ihn versündigt hatten. Blomaert's besonderes Talent, die Eigenart seiner
Schüler zu schonen und zu pflegen, hat sich auch bei Knupfer bewährt: von vornherein verfolgt dieser
seine eigene Richtung, die in der Wahl der Motive wie in der malerischen Behandlungsweise und dem
warmen braunen Ton grundverschieden ist von der Kunst des A. Blomaert. Knupfer schliesst sich mehr
den Voro-äno-ern Rembrandt's an und erscheint theilweise auch schon von dessen früheren Werken
beeinfsusst, namentlich in der malerischen Behandlung.
Der Künstler ist sehr ungleichmässig in seinen Arbeiten. In einigen Bildern, wie in seinem kleinen
Familienbilde der Dresdener Galerie und namentlich in den „Werken der Barmherzigkeit" im Museum
zu Cassel kommt er den besten unter den holländischen Meistern nahe. Hat man den Meister doch in
neuester Zeit gewürdigt, in einem nicht einmal hervorragenden Werke, „Salomo's Opfer" im Privat-
besitz zu Breslau, den Ausgangspunkt zu bilden für ein Werk, das sich als „Grundlagen zu einem Neu-
bau der holländischen Kunstgeschichte" ankündigt, für Lautner's Schrift: „Wer ist Rembrandt:". Auf
Grund eines unzweifelhaften Werkes von Knupfer hat der Verfasfer es unternommen, dem allverehrten
Grossmeister der holländischen Kunst, Rembrandt, den Lorbeerkranz vom Haupte zu reissen, ihn als
einen Stümper und verkommenen Menschen zu brandmarken und seinen Schüler Ferdinand Bol mit
den Werken zu schmücken, die alle Welt seit Rembrandt's Zeit diesem Künstler zugeschrieben hat. Mit
dem Anschein der Wissenschaftlichkeit glaubt der Verfasser den Bau, den Geschichte und Forschung
seit zwei Jahrhunderten langsam und sicher aufgerichtet hatten, vollständig über den Haufen werfen
zu können. Mit Seherblick entdeckt er in dem, was das gewöhnliche Auge als Schmutz- und Firniss-
flecke oder als retouchirte Sprünge erkennt, die untrüglichsten Künstlerbezeichnungen, nicht nur
eine, sondern zwei, drei und mehr auf jedem Bilde; mit Hilfe des photographischen Apparates und
energischer Retouchen seiner Photographien stellt er daraus den Namen Bol in den wunderbarsten
Schriftzügen fest, erklärt daraufhin die grossen Bezeichnungen und Daten Rembrandt's, welche sich
auf fast jedem seiner Bilder finden, für freche Fälschungen, leugnet oder ignorirt alle Urkunden, welche
wir über eine beträchtliche Zahl von Rembrandt's Bildern besitzen, wirft alle Itilistischen Rücksichten,
alle jenen zahlreichen Hilfsmittel, welche Malweise, Costüme u. s. w. zur Bilderkritik bieten, vollständig
über den Haufen, um zu jenem Resultat zu gelangen, das ein bleibender Schandsseck für unsere deutsche
Wissenschaft ist!
Von Knupfer besitzt die Schweriner Galerie zwei kleine biblische Bilder: „Josephs Traumdeutung"
und die „Fusswaschung" (Gegenstücke, Nr. 56g und 569), die der Katalog nur vermuthungsweise dem

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