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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Editor]
Die Graphischen Künste — 17.1894

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Heft V
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Bode, Wilhelm von: Die Kleinmeister der holländischen Schule in der Galerie des Fürsten Liechtenstein in Wien, [1]: Holländische Bildnismaler, Das holländische Sittenbild, Die holländische Landschaftsmalerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.3327#0119
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81

Holländische Bildnismaler.


>N neuester Zeit ist wiederholt der Versuch gemacht worden, die holländische
Malerei nicht mehr nach dem Gegenstände der Darsteilung, sondern nach dem
Geburts- oder Aufenthaltsort der Maler zu behandeln und danach innerhalb der
, j holländii'chen Malerei einzelne locale Schulen aufzustellen. Es ist dies zuerst durch
"^d^f C^C3 Woermann in seiner Geschichte der Malerei geschehen; ihm ist Bredius in seinen
»Meisterwerken des Ryksmuseums« zu Amsterdam gefolgt. Diese Betrachtungsweise hat eine
Reihe neuer interessanter Gesichtspunkte zu Tage gefördert; sie kann aber meines Erachtens doch
nur ausnahmsweise zu Grunde gelegt werden, da bei dem engen Raum, auf dem die grossen
holländii'chenKunststädte zusammenliegen, derEinfluss der einzelnen bedeutenden Meister zumeist weit
über ihren Heimatsort hinausgeht; auch hat die Mehrzahl derselben ihren Aufenthaltsort wiederholt
gewechselt. Innerhalb der einzelnen Zweige der Malerei, die sseh jetzt selbständig entwickeln, prägt
(ich andererseits über den einzelnen Platz hinaus ein durchgehender Charakter aus; wie hier einzelne
Künstler Schule bilden und nicht nur auf ihre Heimatstadt, sondern oft darüber hinaus für ganz
Holland Bedeutung gewinnen. Die alte Art der Betrachtung nach den einzelnen Gattungen der
Malerei icheint mir daher als Regel auch heute noch die richtige; ich werde ihr hier auch schon
deshalb folgen, weil die Künstler der einzelnen Städte Hollands in der Liechtenstein-Galerie, so
zahlreich ihre Werke hier zu finden sind, doch ungleichmässig und zum Theil nur spärlich
vertreten sind.
Wo der Naturalismus zur Herrschaft gelangt, führt er zu einer selbständigen Behandlung des
Portraits und damit zu einer raschen und glänzenden Entwicklung der Portraitmalerei; die Brüder
van Eyck in den Niederlanden beweisen dies ebenso schlagend wie ein Piero della Francesca oder
Antonello in Italien, und die Geschichte der holländischen Malerei zeigt diese Erscheinung
bekanntlich in sehr eigenthümlicher Weise. Während die Malerei in Holland bald nach dem Tode
des Lucas van Leiden bis in's Ende des XVI. Jahrhunderts im Allgemeinen eine untergeordnete
Rolle spielt und falsche Bahnen wandelt, entwickelt lieh die Portraitmalerei stetig und gewinnt in der
Darstellung des Einzelbildnisses und vor allem in den grossen Gruppenbildern der Corporationen
schon vor dem Abschlusfe der Befreiungskriege eine eigenthümliche Bedeutung. Fall jede Stadt,
auch die kleinste, hat ihren Portraitmaler oder eine Reihe derselben; zumeist tüchtige Künstler,
denen eine schlichte, lebensvolle Ausfasfung der Persönlichkeit gemeinsam ist. Ein Portraitmaler ilt
daher auch der Künstler, der zuerst aus der Fülle braver Mittelmässigkeiten in Holland heraustritt
und desfen grossartig individuelle und momentane Ausfassung die holländische Malerei für mehrere
Jahrzehnte beherrscht: Frans Hals wird heute einem Anthony van Dyck gleichgcstellt, ja häusig
vorgezogen; als Portraitmaler seiner Zeit sicht er wohl nur hinter dem Einen Yelazquez zurück
Von ihm, von Frans Hals, belitzt die Liechtenttein-Galerie zwar nur Ein Gemälde, aber ein
Werk von einer Bedeutung, wie es eine ganze Sammlung aufwiegt; es gilt wohl mit Recht als das
 
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