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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Editor]
Die Graphischen Künste — 17.1894

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Heft V
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Bode, Wilhelm von: Die Kleinmeister der holländischen Schule in der Galerie des Fürsten Liechtenstein in Wien, [1]: Holländische Bildnismaler, Das holländische Sittenbild, Die holländische Landschaftsmalerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.3327#0126
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87
Die Bilder eines Künstlers, der in eigener Weise gelegentlich verwandte Motive behandelt,
jedoch in umfangreichen Bildern von sehr malerischer, flüchtiger Behandlung, Benjamin Cuyp, habe
ich schon im Zusammenhange mit den Gemälden der Rembrandt-Schülcr und Nachfolger in der
Liechtenstein-Galerie besprochen. Ein verwandter, aber einförmigerer und roherer Maler, den man
jetzt nach dem Vorgange von L. Scheibler als -»Pfeudo-van der Veuiic« bezeichnet, hat in der Galerie
drei seiner Werke aufzuweiten: ein paar kleine »Köpfe von einem alten Mann und einer alten Frau«
(Nr. 621 und 622), und ein grösseres Bild: »Die wandernden Musikanten« (Nr. 419). Sie gehen
alle drei unter dem Namen des Vincent Laurensz van der Finne. Da dieser Künstler erst 1629 geboren
wurde, der Charakter jener Bilder aber schon auf die erste Periode der selbständigen holländischen
Malerei hinweist, so kann diese Benennung nicht richtig sein. Wer der Künstler sei, ist noch immer
nicht ausfindig gemacht worden, jedenfalls ist er ein Maler von mässigem Talent; seine Figuren sind
regelmässig plump und schlecht gezeichnet, im Verhältnis zum Bilde verfehlt (regelmässig zu gross),
eintönig in den Typen, nüchtern und schwer in der Farbe.
Die Aufgabe, das Volksleben in der Landschaft darzustellen, ergreifen etwa gleichzeitig in
eigenartigerer Weise eine Anzahl holländischer Künstler, die längere Zeit oder selbst dauernd in Italien
ihren Aufenthalt nahmen und das italienische Leben zum Vorwurf wählten. Auch löten diese Künstler
ihre Aufgabe meist in freierer und künstlerischerer Weise als ihre Landsleute, die ähnliche Motive
aus dem heimischen Leben darstellen. Wohl nicht zufällig, da das Treiben im Süden und speciell
das des italienischen Volkes mit der Natur mehr verwachsen ist, als bei uns, und in derselben
daher auch einen mehr malerischen Eindruck hervorbringt. Pietcr de Laer, Jan Miel, Jan AJJelyn,
später J. B. Weenix, Tk. Wyck, Karcl Dujardin sind die namhaften Meister dieser Richtung, die sie
jeder in eigener Weise ausbilden. In der Liechtenstein-Galerie ist ein echtes wirkungsvolles Werk
des Bieter de Lacr vorhanden, der »Überfall bei Nacht« (Nr. 693), während das geringe »Thierstück»
(Nr. 439) ihm mit Unrecht zugeschrieben wird. Ein charakteristisches Bild des Jan Miel, der (ich
unmittelbar anPieter de Laer anlehnt und dauernd seinen Wohnsitz in Italien nahm, ist die »Nächtliche
Hirtenscene« (Nr. 549), deren Autor der Katalog zwischen Elsheimer und Julius van Bentum
zweifelhaft lässt. Andere Bilder von Meistern dieser Richtung lind vorwiegend landsehaftlich und
werden uns später noch beschäftigen.

Eine völlig freie, künstlerisch vollendete Form erhielt das Sittenbild in Holland erst um die Mitte
des XVII. Jahrhunderts dadurch, dass Rembrandt zu den Elementen der individuellen Charakteristik
und der malerischen Behandlung, deren Ausbildung die holländische Kunst in elster Linie dem Frans
Hals verdankt, auch die Schilderung des Gemüthslebens und das Helldunkel hinzufügt. Von den
grossen Meutern dieser Epoche, die in der Darltellung des Sittenbildes noch heute die unerreichten
Vorbilder lind, hatte die Liechtenstein-Galerie bis vor Kurzem eigentlich gar keine Werke aufzu-
weisen. Es ist das Bestreben des regierenden Fürsten Johann gewesen, auch nach dieser Richtung die
empfindliche Lücke mehr und mehr auszufüllen; doch sind noch nicht alle neu erworbenen Gemälde
in der Galerie öffentlich ausgestellt und einige sind durch die Liberalität des Besitzers an andere
öffentliche Sammlungen abgegeben worden. Dies ilt unter anderem mit einem malerisch besonders
reizvollen Bilde von G. Don »Junges Mädchen am Fenlter« der Fall, der jetzt in der Galerie gar
nicht vertreten ist.
Von den späteren Rembrandt-Schülern, die sich dem Genre zuwandten und das sülle Glück
des einfachen holländischen Familienlebens mit einem malerischen Reiz und poetischen Zauber
o-eschildert haben, wie nur der Franzose J.-F. Millet Ähnliches erreicht hat, ist erst kürzlieh ein
 
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