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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 17.1894

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Heft VI
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Bode, Wilhelm von: Die Kleinmeister der holländischen Schule in der Galerie des Fürsten Liechtenstein in Wien, [2]: Das holländische Stillleben, Die vlämischen Kleinmeister
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https://doi.org/10.11588/diglit.3327#0146
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Das holländische Stillleben.


JOHL keine öffentliche Galerie hat eine solche Zahl meist umfangreicher Stillleben
der verschiedensten Art aufzuweisen wie die Liechtenstein- Galerie. Obgleich
Schloss Feldsberg und andere Sitze des Fürsten mit zahlreichen Werken dieser
Art ausgestattet sind, sind jetzt noch in der Galerie zwei grössere Säle bis an
die Decke mit Stillleben, Blumenstücken und Thierstücken völlig bedeckt. Sie
sind zweifellos gekauft zu dem Zwecke, für den sie gemalt wurden: um als malerischer Schmuck
für Jagdschlösser oder grosse Esssäle zu dienen. Hier in den niedrigen, ungünstig beleuchteten
Sälen, wo die gleichen, in ihrer Menge und Einfachheit einförmigen Motive unmittelbar neben-
einander hängen, kommen sie leider nicht recht zu ihrer Geltung, beeinträchtigen sich gegenseitig
und werden daher vom Publicum kaum angesehen.
Die Stilllebenmalerei im weiteren Sinne, also die Darsteilung von Blumen, todtem Wild und
dergleichen eingeschlossen, ist keineswegs erst eine Erfindung der niederländischen Kunst; die
Italiener haben das Stillleben schon im Quattrocento gekannt, wir finden es im Mittelalter und selbst
schon in der Antike. Freilich hat die clasfische Kunst das Stillleben nur decorativ verwendet: in den
Mosaiken der Fussböden, in den Decorationen der Wände, als Intarsien der Chorstühle, Thüren,
Truhen und so sort. Erst in Holland und in den spanischen Niederlanden wird das Stillleben ein
selbstständiger Zweig der Malerei; doch sind die grosse Mehrzahl dieser Tafelbilder gleichfalls für
einen bestimmten decorativen Zweck gemalt worden, und auch heute noch, wo sie aus ihrem
architektonischen Zusammenhang gerisfen sind, wirken sie in den Sammlungen doch, wenn richtig
vertheilt, im besten Sinne decorativ; sie bieten dem Auge eine Erfrischung von den ernsten Motiven
der historischen Bilder und dem Augenpulver der kleinen Sittenbilder.
Wenn uns im Stillleben, fobald der Sinn für dasselbe überhaupt erst geweckt ist, eine Reihe
von Künstlern, deren Namen in der Kunstgeschichte bisher nicht einmal überliefert waren, nicht
seiten einen so reinen künstlerischenGenuss verschaffen, wie nur wenige grosse Meister der Landschaft
oder der religiösen Malerei, so liegt dies zweifellos im Motiv, das in seiner Einfachheit von
manchem Künfiler ohne jeden, unsere moderne Empfindung und Anschauungsweise störenden
Beigeschmack gewählt ist, und in dem der malerische und realisiische Sinn der Zeit den reinsten
Ausdruck finden konnte.
Auf die Entwicklung der Stilllebenmalerei in Holland bin ich früher schon bei der Besprechung
der Schweriner Galerie näher eingegangen. Ich habe dabei zugleich darauf aufmerksam gemacht,
wie gerade im Stillleben besonders stark der locale Charakter, die Lage oder die hervorragende
Beschäftigung der Bürger der betresfenden Stadt, in der die einzelnen Künfiler lebten, zum Ausdrucke
kommt. Im reichen Haarlem schildern die Maler die Freuden der Tafel, im Haag mit seinem
 
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