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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 21.1898

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Gronau, Georg; Dörnhöffer, Friedrich; Braun, Edmund Wilhelm: Die Jahresmappe der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst 1898: Cornelia Paczka, Rudolf Jettmar, Heinrich Vogeler, Hans von Volkmann, Hans Thoma als "Griffelkünstler", eine Original-Radirung von W. Unger
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https://doi.org/10.11588/diglit.4070#0152
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das Zünglein der Wage sei haarscharf eingestellt. Freilich macht sich, sieht man mehrere Arbeiten
nacheinander, eine allzu grosse Gleichartigkeit seines Verfahrens bemerkbar. Die Linie, das Element
der Poesie, in der Natur versteckt und verwebt in Licht und Farbe, weiss er scharfäugig zu
enthüllen, in die Natur hinein zu deuten und in seinen graphischen Werken zu freien reizvollen
Spielen zu verbinden. Ein feiner decorativer Einklang geht durch die Silhouetten und die Ver-
ästelungen der Baumkronen und die Conturen von Land und Wolken.1 Neben der sinnvollen Linie
ist es der klare, grosse Ton, das Element der Stimmung, dem der Künstler nachgeht und den er
oft mit ungemeinem Glücke erreicht. Da in der Lithographie die einfache zusammenhaltende
Tönung einer technischen Grundforderung entspricht, so sehen wir auf diesem Gebiete Volkmann
mit besonderem Erfolge thätig. In Figuren darf man wohl den Künstler als weniger glücklich
bezeichnen; er scheint ihnen vielfach auszuweichen. In den uns bekannten Studien mangelt ihnen
intensive Charakteristik und tieferes Leben. Sie, gleichwie häufig die Pflanze im Einzelnen, sind ohne
Intimität, sozusagen von aussen gesehen, nur allgemein in Contur und Ton erfasst. Mehrere land-
schaftliche Arbeiten belebt Volkmann neuerdings mit allerhand märchenhaften Figuren. Der
damit erzielte Eindruck ist weniger der einer aus gesteigerter Stimmung herausgeborenen Natur-
beseelung wie bei ßoecklin, als vielmehr der von witzigen malerisch-originellen Einfällen, welche
die ruhige Seh-Stimmung durchhellen.'" Das Vorwiegen dieser poetischen Capricen scheint in der
Richtung der Entwicklung des Künstlers zu liegen, welche noch in vollem Gange begriffen ist. Das
andere Ziel aber ist die Vereinfachung und kraftvolle Bestimmtheit in Linie und Ton.
Von Volkmanns Bildern dürfte am bekanntesten das Haferfeld sein, das ihm auf der
Münchener Ausstellung des Jahres 1893 und der Dresdener des Jahres 1894 die kleine goldene
Medaille eingetragen hat und in den Bestand der königlichen Pinakothek in München übergegangen
ist. Goldener Erntesegen überfluthet das zum Horizont emporsteigende Feld, Schnitter baden sich in
Fülle und Sonne, Wolkenschatten huschen darüber hin. Andere Werke wurden von den öfsentlichen
Sammlungen in Stuttgart (Landschaft mit Schafherde, 1892), Karlsruhe (Herbstgold,
1895—1896), Leipzig (Waldthal, 1894) und Berlin (Frühlingslüfte, 1896) erworben. Aus dem
letzten Jahre stammt das ernst gestimmte Bild Wolkenschatten: ein stürmischer Abend, schwere
Wolken wandern übers Gebirge, dasselbe fast streifend; Gebüsch und Halm in Unruhe, der Schäfer
im ssatternden Mantel vom Wind geplagt, hinter ihm die Schafherde, unruhig stampfend und
fressend — sonst ist niemand bei solchem Wetter da oben auf rauher Höhe zu finden.
Höhe und Art von Volkmanns Können bezeugt gut das lithographische Blatt Abend, das
unsere Mappe enthält. Die Sonne, schon hinter den Hügeln hinabgesunken, durchleuchtet das
Firmament, dessen schimmernde Reflexe in vollen Strömen den dunkelnden Hang überrieseln
und in dem eilenden Gewässer vorne aufbranden. Wie unübertrefflich einfach und doch sicher
wirkend sind die Mittel, mit denen der Künstler dieses Naturbild zu bannen verstand! Ein reiner
wohlgestimmter Zweiklang von Tönen und ein paar breite Striche für die kräftigeren Dunkel-
heiten und das im Dämmer schwach hervortretende Buschwerk — das ist Alles. Dass es dem
Künstler möglich ist, auf diesem sozusagen nur mit ein paar Saiten bespannten Instrumente
Stimmungen von feinster Individualisirung wiederzugeben, dafür sei auf das in diesem Jahre ent-
standene Blatt Abendwind hingewiesen. In dieser Künstlerlithographie, die so einfach hergestellt
1 Diese Richtung musste den Künstler nothwendig zu Arbeiten aus kunstgewerblichem Gebiete führen, von denen uns leider keine
bekannt geworden ist
- Hieher gehurt auch das im Verlag von Breitkopf, Leipzig 18S5, herausgegebene .Asrika, Studien und Einfälle eines Malers« (12 Repro-
duktionen nach humoristischen Aquarellen). Gute, vielsach auch stimmungsvolle Landschastsstudien voll absonderlichen Figurenwerthes, deren
Humor nicht immer den Auswand rechtsertigt


 
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