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Karl Sterrer, Der Maler und sein Modell. (Andere Fassung.)

Radierung.

leicht verkürzt von oben ge-
sehene weibliche Kopf auf dem
ersten Plakat. Die paar Exlibris-
blättchen, die Sterrer lithogra-
phiert hat und von denen eines
hier abgebildet ist, fallen noch
vor den Zeitabschnitt, der hier
zu überblicken versucht wird.
Sterrer ist ein eifriger
Sammler und großer Verehrer
alter Kupferstiche. Besonders
ziehen ihn die anmutigen Blattei'
des französischen Rokokos, aber
auch zum Beispiel Stiche nach
Gaspard Poussin an. Nach dem
Umsturz erhielt er den Auftrag,
zusammen mit Rudolf Junk Ent-
würfe für neue österreichische
Banknoten herzustellen. Junk
Hei der dekorative, Sterrer der
flgurale Teil der Aufgabe zu. Bis auf die Schrift war alles vorbereitet, da zerschlug sich die ganze
Sache, dank dem raschen Verfall unserer Währung. Als aber Fünfhunderttausendkronenscheine
gedruckt werden mußten, ließ man dafür die ursprünglich für den Zehntausender als den Abschluß
der Folge bestimmte Zeichnung Sterrers, die Mutter mit den drei Kindern, durch Rudolf Schirnböck
stechen. (Für den Gesamteindruck der Note sind Junk und Sterrer aber nicht verantwortlich.)

Das Gesagte macht es begreiflich, daß sich in dem Künstler der Wunsch regte, auch selbst
auf dem Kupfer zu arbeiten, und so entstanden in den Jahren 1920 bis 1922 fünfzehn Radierungen,
fast alles kleine Blätter, von denen hier eines im Original beigelegt ist und zwei abgebildet sind.
Die meisten sind 1920 entstanden und waren das Jahr darauf im Künstlerhaus ausgestellt.

Es sind echte, rechte Malerradierungen, technisch noch etwas unfrei, aber dafür von höchster
persönlicher Eigenart. Weibliche Akte und Landschaften überwiegen. Kompositionen wie die drei
hier zu betrachtenden und vielleicht noch mehr die Blättchen, auf denen die Landschaft vorwaltet.
sind voll Stimmung. In schroffer Felsgegend ist ein Liebespaar gelagert oder ein Einsiedel schlägt
für sieh und seine Ziegen die Laute. Dreimal ist die Köstlichkeit der Fernsicht über friedlich da-
liegendes Land geschildert. Zwischen wenigen hohen, dünnen Stämmchen oder zwischen ver-
stricktem Astwerk einer dichteren Baumgruppe hindurch oder unbehindert von allem Pflanzenwuchs
von freier Anhöhe aus. Auf sanfte Hügelwellen oder auf ein Städtchen. Vorne tauscht ein Liebes-
paar Küsse, äsen Rehe, ruhen Frauen im Schatten von des Tages Mühe aus, genießt ein rastender
Wanderer den schönen Ausblick. Auf einem Blättchen ist Io zu sehen, die den Gott umarmt. Ein
Vorwurf, den Sterrer auch schon zweimal gemalt hat. Drei Radierungen zeigen einen Maler und
sein Modell. Durch eine Fensteröffnung belauscht ein Mönch eine Frau, die das Wasser des
Bades prüft, in das sie eben steigen will. Aber die Szene hat nichts Aufregendes an sich. Mit dem
neugierigen Kuttenträger und der überraschten Schönen bleibt auch der Betrachter »kühl bis ans
Herz hinan«. Derlei ist für Sterrers leidenschaftslose, ausgeglichene, verzichtende, sich in die

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