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malen, fertig machen heißt für ihn dann, diese großen Züge mit den Formen in Einklang bringen.
So ist er durchaus Zeichner, solange er zeichnet, sobald er malt, nur Maler, nur Kolorist.

Die Künste strecken sich nicht nach der Decke, aber ihre Ziele richten sich doch, in einem
anderen Sinne, nach ihrem Rüstzeug. Der Malerei, die durch einen größeren Aufwand von Mitteln
schwerfälliger ist und längerer Zeit zum Ausreifen der Werke bedarf, wird immer ein Hang bleiben,
ins Einzelne zu gehen, den die Zeichnung leichter überwindet. Ihre Flüchtigkeit ist nicht ein Zu-
geständnis, das einer »leichteren« Kunstart eingeräumt ist, es ist ihr Vorzug und die Quelle ihrer
Eigenart. Oft schon haben Künstler dieser Erkenntnis Worte verliehen, zuletzt vielleicht ein Maler
des Impressionismus in dem Ausspruch, Zeichnen sei Auslassen. Die zugespitzte Kürze mag dabei
auf Rechnung der letzten Fassung zu setzen sein, die Einsicht, daß beim Zeichnen nur Wesentliches
geboten werden dürfe, ist so alt, wie das Zeichnen selbst und konnte nur in einer Zeit zum Para-
doxon gestaltet werden, in welcher die Entwicklung der Strichkunst das Erreichen malerischer
Wirkungen nicht mehr aussichtslos erscheinen ließ. Aus dieser Beschränkung ergibt sich eine
Beweglichkeit, die sie im höchsten Grade befähigt, schnell Vergehendes festzuhalten. Das Gemein-
same im Sinne des Wortes »Bewegung«, räumliches Geschehen und innere Ergriffenheit, ist darum
auch die Wurzel für die beiden höchsten Ziele der Zeichnung, Bewegung als Spiel der Kräfte und
als Erschütterung der Seele. Die geruhsame Darstellung in sich geschlossenen Daseins, wie sie der
Malerei vor allem zu eigen ist, wird für die Zeichnung stets die Verführung zum Beiwerk in sich
bergen; die reinste Ausprägung und die vollste Entfaltung ist ihr nur dort beschieden, wo sie
Zielen nachstrebt, die sie allein erreichen kann. Je größer die Vereinfachung, desto höher freilich
sind auch die Ansprüche an das Können; das Letzte und Höchste aber ist nie ein bloßes Ergebnis,
sondern stets auch ein Geschenk. Den Berufenen führt ehrliches Mühen auf dem schmalen steinigen
Wege immer aufwärts, aber nicht immer zu jener strahlend blauen Blume, die nur in der reinen
Höhe einsamer Felsklippen sich entfaltet. Rudolf Ameseder.

iMichael Daffinger, Genzianen.

Aquarell.

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