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sich mit Dante beschäftigt habe; wer aber seine
Selbstbiographie kennt und weiß, welche Schwie-
rigkeiten und inneren Kämpfe ihn zeitlebens be-
wegten, wird es verstehen. Frau Charlotte Corinth
schrieb sogar ausdrücklich: »Die Göttliche Komö-
die lag bis zuletzt auf seinem Arbeitstisch, auf
dem auch einige Skizzen lagen, von denen ich
aber nicht gewiß sagen kann, ob sie im Zusammen-
hang damit stehen«. So kann gerade dieses Blatt
in gewissem Sinne als ein geistiges Vermächtnis
des Meisters gelten.

Walther Klemm (geb. 1883 in Karlsbad,
lebt in Weimar), dessen zehn kraftvolle Holz-
schnitte seinerzeit schon hier besprochen wurden,
hat ein köstliches Blatt zu Inferno XXI beige-
steuert: Fledermausteufel stürzen den Ratsherrn
von Lucca kopfüber in den rauchenden Pechpfuhl,
grandios in der Bewegung und meisterhaft aus
dem Dunkeln ins Helle gearbeitet, dabei wieder
echt holzschnittmäßig wie alles, was der Künst-
ler schafft.

Rudolf Sau dek in Leipzigendlich (geb. 1880
in Kolin, Böhmen), dessen feinsinnige Radierun-
gen gleichfalls an dieserStelle ausführlich erwähnt
wurden, schuf einen neuen großen Dante-Kopf
von wundervoll ernstem Ausdruck und prächtiger, scharfer Formgebung in minutiöser, aber nirgends
kleinlich wirkender Technik. Ich stehe nicht an, eines der schönsten und tiefsten Dante-»Porträte«
aller Zeiten darin zu erblicken.

Zur graphischen Kunst im weiteren Sinne, besonders als Illustrationsfolge, dürfen wir auch
die zwölf stilvollen Gouache-Blätter von Philipp Otto Schäfer in Bozen (geb. 1868 in Darmstadt)
rechnen, die erst in der jüngsten Zeit, um 1925, entstanden sind und sich zurzeit bei mir befinden.
Es sind Darstellungen zur Hölle, in Foliogröße und meist Querformat, deren Technik, genauer
gesagt, in einer Kombination von Tempera und Aquarell besteht. Sie tragen denselben klassischen
und monumentalen Geist wie des Künstlers bekannte und sympathische Gemälde, und wie diese
erinnern sie in ihrer gedämpften, stumpfen Farbgebung, die trefflich zum Stoff paßt, beinahe an
Fresken; man könnte sie sich recht wohl als Wandbilder in großem Maßstabe ausgeführt denken.
Philipp Otto Schäfer, der dem deutsch-römischen Kreis nahesteht, hat sich schon in jungen Jahren
viel mit Dante befaßt und schätzt besonders die Darstellungen von Signorelli und Genelli; er selbst
ist aber erst jetzt, wesentlich durch die Anregung des Grafen Kuno von Hardenberg, zu bildlichen
Resultaten gelangt. Seiner Art entsprechend hat er vorwiegend solche Szenen gewählt, die irgend-
wie mit der Antike in Zusammenhang stehen und Gelegenheit zu schönen Akten bieten; es sind
die folgenden: Inferno III, Der Kahn des Charon auf tiefgrüner Flut, von der sich der Fährmann im
roten Mantel und die schön gruppierten Seelen wirkungsvoll abheben. Inferno V, Paul und
Francesca im Luftwirbel vor Dante und Virgil, mit prachtvollem Gegensatz der blendendkalten Lichter

Lovis Corinth, Dante und die drei Tiere (Inferno I). Lithographie.

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