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Odysseus und Diomedcs (Inferno XXVI)
gehören schlechthin zu den eigenartigsten
Lösungen dieser schwierigen Darstel-
lungsprobleme, und wenn auch nicht alle
Bilder gleichwertig sein können, so bewegt
sich doch das Ganze auf einer seltenen
Gesamthöhe der Form und des inhaltlichen
Ausdrucks.

Rein buchkünstlerisch betrachtet, hat
ja vielleicht die Einfügung von tonigen
Radierungen in den Text immer etwas
Heikles, da sie mit den rein linearen,
schwarzen Typen doch nicht ganz zu-
sammengehen können, allein wer wollte
aus puristischen Theorien der freien lllu-,
Station diese Möglichkeiten begrenzen!
Der Ausgleich ist überdies, soweit irgend
angängig, hier gefunden. Leider ist die hoff-
nungsvolle Arbeit, wie ich schon im Dante-
Jahrbuch andeuten mußte, ins Stocken ge-
raten, obgleich sich der Künstler der Fort-
setzung gern und mit unverminderter
Schaffensfreude widmen würde. Hoffent-
lich wird sich ein Neudruck des vorliegen-
den Teiles und die Herstellung der beiden
anderen recht bald ermöglichen lassen.

Nicht minder anregend erscheint der
in Freiburg i. B. als akademischer Zeichen-
lehrer lebende Hans Lembke (geb. da-
selbst 1885), der eine große Zahl von
Zeichnungen und einige Radierungen aus allen drei Teilen der Commedia geschaffen hat. Joseph
Sauer, der im »Hochland« zuerst auf ihn hinwies1, spricht von 90 Zeichnungen, an denen er eine
unmittelbar persönlich ernste Auffassung der Stoffe, starkes Ausdrucksvermögen und kraftvolles
plastisches Gefühl hervorhebt. Ich selbst habe im Hause des Künstlers etwa zwanzig Zeichnungen
und vier Radierungen in Vernis mou gesehen, die Sauers Urteil durchaus bestätigten. Es sind die
Schöpfungen eines mit dem Geist der Dichtung völlig vertrauten, philosophisch und kunsthistorisch
vorgebildeten Menschen, der sich — bezeichnend genug — von den Schrecknissen des Krieges
durch Dante künstlerisch befreien mußte, ein Vorgang, dem wir noch mehrmals begegnen werden.

Die Radierungen zeigen, in rauhem, kräftigem Strich, wie Kohlenzeichnungen wirkend, die
folgenden Motive: Dante, Virgil und ein liegender Sünder; Die Dichter bei den in Bäume verwan-
delten Selbstmördern (Inferno XIII), ein sehr wohlgelungenes Blatt; Dante und das von Seelen

Hans Lembke, Dante und Virgil bei den in Bäume verwandelten Selbstmördern
(Inferno XIII). Radierung.

1 Joseph Sauer, Dante in der deutschen Kunst. »Hochland., 1920 bis 1921, II. Heft. Der Aufsatz ist unter anderem auch wertvoll durch
erstmalige Veröffentlichung mehrerer Dante-Blätter aus dem Besitz des Philalethes-Enkels Prinz Johann Georg von Sachsen, der von jeher
besonderes Interesse für die Dante-Illustration hegt.

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