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Werkes, das die Kupferstichkunde begründet hat. Darin, im VII. Bande, ist auch Dürers graphisches
Werk auf eine für jene Tage vorbildliche Weise kritisch zusammengestellt. Bartsch ist es auch, der
am Ende des XVIII. Jahrhunderts von den vorhandenen Holzstöcken zu den Werken Kaiser
Maximilians I. Neudrucke veranstaltet hat.

Der nächste Wiener Gelehrte, der sich nach Bartsch mit Dürer befaßt hat, ist Johann J. Trost
(1789 bis 1867), der an der Akademie der bildenden Künste Professor, Bibliothekar und Kustos
der Kupferstichsammlung war. Er gab 1859 bei C. Gerolds Sohn ein Buch heraus, das betitelt war:
»Die Proportionslehre Dürersnach ihren wesentlichen Bestimmungen in übersichtlicher Darstellung«.

Die eigentliche Wiener Dürerforschung aber setzt erst mit Moriz Thausing ein, der zugleich
Direktor der Albertina und Professor der Kunstgeschichte an der Universität war. Er schuf in seinem
»Albrecht Dürer«, der 1875 einbändig, 1884 in zwei Bänden erschienen ist, ein grundlegendes Werk,
das der Hauptsache nach noch immer nicht veraltet ist. Geschadet hat der außerordentlichen Arbeit
nur, daß sich Thausing in den Gedanken verrannte, gewisse mit einem W signierte Kupferstiche,
die etliche von Dürers frühen Stichen kopieren, seien die von Michel Wohlgemut geschaffenen
Vorlagen zu diesen Arbeiten seines großen Schülers. In der Tat sind diese Stiche aber Kopien von
Wenzel von Olinütz nach Dürer. Dieser Irrtum und die Hartnäckigkeit, mit der Thausing auch in
der zweiten Auflage seines Werkes daran festhielt, sollten aber nicht, wie dies leider häufig geschieht,
zum Anlaß genommen werden, um die außergewöhnliche und wie gesagt heute noch wertvolle
Leistung des Begründers der modernen Dürerforschung herabzusetzen.

Zwei ausländische Zeitgenossen Thausings, die ebenfalls über Dürer arbeiteten und dem reiz-
baren Mann, der schließlich wie bekannt seinem Leben selbst ein Ende gesetzt hat, viel Ärger
bereiteten, der Berliner Friedrich Lippmann, der erste Herausgeber des Corpus von Dürers Hand-
zeichnungen, und der Pariser Charles Ephrussi, von dem 1882 das umfangreiche Werk »Albert
Dürer et ses dessins« erschien, haben, was vielfach in Vergessenheit geraten ist, ihren wissenschaft-
lichen Ausgang von Wien genommen.

Seit Thausing aber bis in die Gegenwart ist in Wien die Dürerforschung nicht mehr abge-
brochen. An der Universität und an der Albertina, am Kupferstichkabinett der ehemaligen Hof-
bibliothek und am Kunsthistorischen Museum fanden sich immer wieder Männer, von denen sich
jeder auf seine Weise bemüht hat und bemüht, die Kenntnis von Dürers Leben und Schaffen zu
vertiefen und zu erweitern. Besonders hervorzuheben sind die Unterstützung und Anregung, deren
diese Gelehrte durch das 1883 gegründete »Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Ah.
Kaiserhauses« teilhaft wurden, eine führende Fachzeitschrift, die eine ihrer ersten und wichtigsten Auf-
gaben darin erblickte,die »Maximilianea« der alten Hofbibliothek kunstgeschichtlich zu bearbeiten und
weiteren Kreisen zugänglich zu machen. Hiebei wurden die Holzschnitte von den noch erhaltenen
Stöcken durch Adolf Holzhausen auf mustergültige Weise neu gedruckt.

Das Gedächtnis Dürers ist aber in Wien nicht bloß durch die stetig fortschreitende wissen-
schaftliche Erschließung seiner hier aufgespeicherten Werke lebendig geblieben. 1871 wurde Dürers
400. Geburtstag durch eine Ausstellung im Österreichischen Museum und durch eine gleichfalls
von diesem Institute herausgegebene »Festpublikation« gefeiert; F. W. Bader hatte sechs Trachten-
bilder Dürers in der Albertina in Farbenholzschnitten vervielfältigt und Thausing dazu den Text
geschrieben. Der Wiener Festzug des Jahres 1879 hatte im Triumphzug Kaiser Maximilians I. sein
Vorbild, ohne das er nicht denkbar wäre. Hans Makart, der Schöpfer des Festzuges, wurde zu
seinem großen Gemälde »Der Einzug Karls V. in Antwerpen«, das seinerzeit solches Aufsehen in
Wien hervorrief, durch eine von Thausing mitgeteilte Äußerung angeregt, die Dürer zu Melanchthon

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