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Picasso oder Chagall lebend, oft sehr sinnlich, aber
ohne Reiz.1

Joachim Karsch, geboren 1897 in Breslau,
schließt sich hier an. Auch seine Kunst tendiert mehr
nach dem Exotisch-Krankhaften und nach dem Westen.
Aber dabei ist er ein guter Zeichner und vor allem
leidet seine Technik nicht so unter der starken Sen-
sibilität wie etwa bei Genin, der Duktus seiner Kon-
turen hat irgendwie etwas Klassisches.2

Michel Fingesten, geboren 1884 in Buczkowitz
in Schlesien, setzt bei seinen Köpfen und Gesellschafts-
bildern meist ein ganzes Regiment an technischen
Hilfsmitteln in Szene, die kalte Nadel genügt ihm nicht,
dafür verwendet er überreich die verschiedensten
Arten von Roulettes. Aber trotzdem sind seine Blätter
von unsagbarer Kälte und von einer schwer zu schil-
dernden Leere und Inhaltslosigkeit, eben vielleicht,
weil sie alle versuchen, in weltanschaulicher Richtung
tendenziös zu sein.3

Als Graphiker weniger bekannt ist der Maler Max Oppenheimer, Richard Strauß. Radierung.

Willi Jaeckel (geboren 1888 in Breslau), von dem zwar verschiedene Einzelblätter und Publi-
kationen herausgekommen sind, dessen graphisches Hauptwerk aber noch nicht veröffentlicht
wurde. Es ist dies eine zwischen 1919 und 1925 entstandene, etwa 200 Blatt umfassende Serie
»Menschgott, Gott, Gottmensch«. Hervorgegangen aus einer okkultistisch-theosophischen Periode,
die Jaeckel wie so viele andere auch mitgemacht hat, sind diese zum Teil in abstrakten Kurven
gehaltenen und zum Teil mit phantastischen, grotesken Wesen bevölkerten Blätter eine wahre
Faustiade auf graphischem Gebiet. Aber diese ausnahmslos kalt gearbeiteten Platten zeigen durch
ihre Verwendung von Diamant, Roulette, Molette, Granulation und Schmirgel einen Aufwand an
theatralischen Effektmitteln, der nur vergeblich über die sonst über dem breitgetretenen Thema
gähnende Langweiligkeit hinwegzutäuschen versucht. Das Ganze erscheint wie wirkliche Kulissen,
und auch die Figuren sind wie aus Pappe geschnitten, es fehlt ihnen das pulsierende Blut.4

Magnus Zeller, Stuttgarter, ist 1888 geboren. Seit Jahren hat er immer wieder die Aufmerk-
samkeit auf sich zu lenken vermocht, niemals ist er aber noch so voll und ganz durchgedrungen.
Seine Arbeiten sind revolutionär, auch er hat sich dem Okkultismus eine Zeitlang ergeben. Das
beste hat er in der Umsturzzeit, vor allem in seinen Illustrationen zu Andrejews »Rotem Lachen«
(7 Radgn., Euphorion-Verlag, 1922), zu Casanovas »Flucht aus den Bleikammern von Venedig«
(6 Radgn., Tilgnerv Verlag, 1922) und zu Hollitschers »Extatischen Geschichten« (Lithos, Tilgner-
Verlag, 1923) geleistet. Die kolorierten Radierungen zu Zschokkes »Blauem Wunder«, Plenzat, 1925,

1 Werke: .Menschen« (8Radgn., Gurlitt). «Zirkus- (7 Radgn., Gurlitt). »Skizzen und Erinnerungen« (80 Abb. und 5 Lithos, Gurlitt). R. G.
gemeinsam mit M. Fingesten, »Typen aus Berliner Spelunken«. Literatur: Kunst der Zeit, II. Jahrg., Heft 5—G (Brattskoven). — - Kunstblatt, 1928, Juni,
S. 161 ff. — 3 Werke: gemeinsam mit Genin: »Typen aus Berliner Spelunken«. Literatur: P. Friedrich, M. F. (Graphiker der Gegenwart, Band 1).

_4 Weitere Werke: Whitman, »Grashalme« (13 Lithos, Prospero-Drucke, Nr. 9, 1920). Lautensack, »Erotische Votivtafeln« (7 Lithos, Gurlitt,

1920/21). »Wandlungen der Liebe« (17 Radgn., Gurlitt, 1922). »Die Epistel S. Pauli an die Römer« (6 Radgn., Reiß-Verlag, 1922). Dehmel,
»Aber die Liebe« (32 Radgn., Steinthal-Verlag, 1922). Radierungen 1922 (7 Radgn., Gurlitt, 1922). »Göttliche Komödie« (35 Radgn., Tilgner-
Verlag, 1923). »Lieder der Bilitis« (12 Radgn., Gurlitt 1923/24). »Das hohe Lied« (7 Radgn., Euphorion-Verlag, 1924). Molo, »Fugen des Seins«
(Eigenbrödler-Verlag, 8 Radgn., 1924). »Faust« (28 Radgn., Reiß-Verlag, 1924). Literatur: E. Cohn-Wiener, Willi Jaeckel (Junge Kunst. Band 2).

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