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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 54.1931

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Beringer, Joseph August: Hans de Vos: Betrachtungen zu seinem graphischen Werk
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https://doi.org/10.11588/diglit.6346#0060
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technisch unfehlbar sicher in den Tonabstufungen in warmem (wohl durch Sepia gebrochenen)
Schwarz auf das Papier hingeschrieben, wie ein Traum aus Gottes Herrlichkeit hingedichtet, rein
und voller Unschuld, einfach und frei, wie eine göttliche Notwendigkeit. Hier ist alles klar, hell,
wohlig, rein, wie am ersten Schöpfungstage. Man könnte an J. Toorops ätherische Bildungen denken,
wenn nicht de Yos' Blätter doch viel gesünder, kosmisch weiter, vom Geheimnis der Erde unbe-
schwerter und vom Gottesodem durchkrafteter wären. Merkwürdig, wie warm und leberierfüllt sich
diese aus nordischer Einfachheit geborene Kunst gibt, als ob sie sich von tropischer Wärme durch-
strahlt auswirkte. Es sei nur auf ein paar ganz einfache, von innerem Lehen strotzende Motive hin-
gewiesen: Wie ein Jauchzer wirkt die Pappel auf dem Hügel beim »Einsamen Feldweg« inmitten
der schlichten Acker- und Wiesenflächen. Wie seelenvoll sind die Weiden am Seeufer in den Raum
hineingewachsen auf dem »Heraufziehenden Föhn«! Wie reckt sich hier eigenes Leben in die be-
wegte Atmosphäre aus der Vielfalt des Uferlebens. Wie herrlich ist das Widerspiel der dunklen
Büsche und Baumkronen vor dem hellen Himmel mit den düster dahintreibenden Wolkenfetzen,
die helle Luft und die dunkle Grasfläche im »Herbstabend am Bodensee«! Wie monumental und
eigenartig stellt sich das reiche Baumgebilde vor die helle Wasser- und Luftfläche in der beiliegenden
Radierung »Auf dem Eglisbohl«!

Hier in diesen Zeichnungen und Radierungen der letzten zwanziger und der dreißiger Jahre be-
ginnt die Schwarzweißkunst von de Vos durch die fein empfundene und ebenso gestaltete Abstufung
der Töne geradezu farbig zu wirken.

Mit derselben Ruhe und sicheren Gelassenheit setzt er in seinen Aquarellen und in den Öl-
bildern die Farben, wie in seinen Zeichnungen und Radierungen die Helldunkeltöne. Er löst die
bewegte Melodie der Schwarzweißkunst durch die verdeutlichenden, naturgetreuen Farben in sym-
phonische Harmonien auf. Lächerlich, wer hier von Spitzpinsel- oder von Fapresto-Arbeit reden
wollte! Erschaut, erfühlt, wohl bedacht werden hier Formen und Farben zur farbigen Einheit geballt,
so wie in der Schwarzweißkunst die Zwiesprache zwischen Irdischem und Himmlischem von
Erden- und Himmelsgeheimnissen flüstert, die der Verstand der Verständigen vielleicht nicht mehr
sieht, die sich aber dem unschuldig und einfältig frommen Gemüte erschließen. Gerade heute ist
eine so selten gewordene feine Empfindung und ausdrucksvolle Leistung nicht genug zu schätzen.

Rückschauend auf die zeichnerischen und malerischen Leistungen von Hans de Vos und
umschauend auf den Betrieb der öffentlichen und privaten Kunstlehranstalten in ihren Ausstellungen,
steht man vor der Frage nach den Gründen der ungeheuerlichen Spannung, die sich aus den beiden
Wegen ergibt. Dort eine nur in strenger Selbstzucht und ohne viel Nutzen durch akademische
Schulung hindurchgegangene, hochwertige Kraft künstlerischer, das heißt könnerischer Gestaltung.
Dort ein Herumtasten in Schlagwortmanieren, wie Impressionismus, Expressionismus, magischem
Realismus, und ein Verhüllen und Verwickeln der klaren Aufgaben in Atelierbegriffe, wie Rhythmik,
Parallelität, Fleckverteilung, malerische Vortragsweise u. a. m., ohne aus dem Nebel der Darstel-
lungs- und Entwicklungsweisen in das helle Licht zeichnerischer und malerischer Arbeitsleistung
auftauchen zu können. Sehen wir diese scholastische Kunst nicht immer mehr den Zusammenhang
mit den Kunstfreunden verlieren und ihre volksverbindende Kraft aufgeben? Ist dieser Gang der
Kunstdinge nicht ein immer eindringlicherer Ruf: »Zurück vom Kunstrummel zu ehrlicher Arbeit!«

J. A. Beringer-Mannheim.

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