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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 54.1931

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Meder, Joseph: Tintorettos erster Entwurf zum "Paradies" im Dogenpalaste
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https://doi.org/10.11588/diglit.6346#0093
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Federstrichen, die eine andere Art der Schattierung bedingen, einen kleineren Maßstab zeigen, be-
rechtigt uns nicht, derartig charakterisierte Blätter ohne weiteres seinem Schulkreis zuzuteilen. Auch
sie vermögen so viel Persönliches des Meisters an und in sich zu tragen, wenn wir uns der Mühe
unterziehen wollen, es herauszufinden. Das Genie kennt keine Grenzen technischer Mannigfaltigkeit
und Ausdrucksweisen. Instinktiv greift es nach jener, die dem momentanen Bedürfnis und dem
Zweck entspricht. Joseph Meder.

Einem freundlichst zugesandten, bereits gedruckten Bericht des Herrn Oberstaatsbibliothekars Dr. Ernst Frisch
über die sechs mit »Malerakademie« bezeichneten Bände der Salzburger Studienbibliothek, unter denen sich auch der
die Tintoretto-Skizzen enthaltende Folioband als vol. VI befand, entnehmen wir folgende Daten über das Schicksal
derselben: »Alle sechs Bände mit der Aufschrift ,Mahlerakademie' sind von gleichem Folioformat und tragen nebst
dem einheitlichen Titel das Supra-Exlibris des Erzbischofs Hieronymus Colloredo vom Jahre 1772. Die ersten
vier Bände sind in braunes Leder gebunden, wie es zu Hieronymus' Zeiten Brauch war, während die letzten zwei
sich als Pergamentbände des XVI. Jahrhunderts mit dem Monogramm P L (Paris Lodron. der zweite Nachfolger Wolf
Dietrichs, Erzbischof von 1619 bis 1653) erweisen. Der Inhalt des Ganzen (heute etwa 200 Stiche und über 800 Zeich-
nungen) ist ein Kunterbunt von Stichen, Zeichenvorlagen und Zeichnungen, zum guten Teil Schülerarbeiten aus
dem XVIII. Jahrhundert. Die Aufschrift .Malerakademie' kann sich nach meiner Vermutung nur auf die Wiener Kunst-
akademie beziehen. Dort hatte Andreas Nesselthaler (1748—1821), der spätere Hofmaler Hieronymus Colloredos,
sieben Jahre studiert. Derselbe dürfte den Grundstock dieser Sammlung in Wien angelegt, auf seinen Reisen in Italien
vermehrt und endlich nach Salzburg mitgebracht haben, wo sie dann in die erzbischöfliche Hofbibliothek kam und in
die ersten vier Bände eingeordnet wurde, die sich dem Format nach den zwei schon vorhandenen Pergamentbänden
anpaßten. Gerade diese letzteren aber, die schon damals dem Bestände der Hofbibliothek angehörten, bargen die kost-
baren Tintoretto-Blätter. Sie haben mit der ,Malerakademie' nichts zu schaffen, denn sie waren längst in der Biblio-
thek, als jene hinzukam. Die Aufschrift auf den Pergamentbänden ist demnach irreführend und falsch.

Die graphische Sammlung der Studienbibliothek besitzt auch jenen sehr seltenen (oben erwähnten) Stich: die
Darstellung Paolo Furlanis des Gran Consiglio-Saales im Dogenpalaste, für welchen Tintoretto erst später sein
berühmtes ,Paradiso' schaffen sollte. Der Schluß liegt nahe, daß die Erwerbung dieses Stiches und jene der Tintoretto-
Zeichnung für Salzburg im Zusammenhang stehen und daß diese Erwerbung in Venedig zu jener Zeit geschah, als die
Erneuerung des Wandgemäldes im Dogenpalaste erfolgte, ein Ereignis, das nicht nur in Venedig Aufsehen machte.
Von unserem Stich aber steht fest, daß er zu jener Sammlung von graphischen Blättern gehört, die einst Erzbischof
Wolf Dietrich nach Salzburg gebracht hat. Auch der Stich befand sich in einem Klebeband von Pergament gleichen
Alters und ähnlich wie jener mit den Tintoretto-Zeichnungen. Wie soll man hier der Versuchung widerstehen, Wolf
Dietrichs Romreise, die in das Jahr 1588 fällt, damit in Verbindung zu bringen? Dem kunstsinnigen Fürsten wäre die
persönliche Bekanntschaft mit Tintoretto wohl zuzutrauen, bei der Annahme, daß er sich zur Zeit in Venedig
vorübergehend aufgehalten habe.«

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