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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 54.1931

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Diehl, Robert: Zu den Holzschnitten A. Weber-Schelds
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https://doi.org/10.11588/diglit.6346#0100
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großen »Rhönlandschaft«
von 1921 die Erde gleich-
sam zum atmenden Ge-
schöpfwird, dessen leben-
dige Oberfläche sich wellig
hebt und senkt, im stru-
delnden Geschiebe der
Ackerbreiten, der Wiesen-
hänge und Waldkuppen
steigend sich hintereinan-
derfaltet und so das un-
mittelbar wahre Bild des
Gebirges formt, das jenen
rauhen Namen trägt, in-
dessen die Fläche sich mit
einem wohlig verschlun-
genen Geflecht weich in-
einandergleitender und fe-
dernd sich auseinander-
schwingender Kurven füllt,
die mit suggestiver Kraft
den Blick in die Raumtiefe
und zu jenem Punkte füh-
ren, wo nicht allein im
realen Sinn die Landschaft
kulminiert, sondern auch
alle Linien der Zeichnung
wie magnetisch angesogen zur Ruhe kommen. Oder wenn in einem anderen Blatt, »Morgenglocken«,
die poetische Essenz einer Morgenstimmung am Flusse mittels eines in seiner Dynamik höchst ein-
fachen Systems von Senkrechten und Wagrechten zu fester künstlerischer Form geronnen ist, indem
zwischen den schwer herabsinkenden Schwärzen des Tannengeästs die steil emporsteigende Stufen-
linie des Bergmassivs, gipfelnd in den geballten Vertikalen des krönenden Kirchenbaus, aufstrebt und
das Auf und Ab dieses sinnfälligen Aneinander-Vorüberströmens straffgeführter Konturen in den
ruhenden Formationen der Wasserfläche und des darübergelagerten Nebelschwadens seinen formalen
Ausgleich findet.

Nicht weniger durchdacht ist der Aufbau des Blattes »Rehe«, das diesem Hefte im Original-
druck beiliegt. Bei durchaus gewahrter Naturnähe des gut beobachteten gegenständlichen Idylls
war der Künstler streng auf die Füllung der Bildfläche und die klare Differenzierung der beiden
Tierindividualitäten bedacht: des schwarz vor die Helle gestellten Bockes und der hell aus dunklem
Grunde ausgesparten Ricke, deren sanfte Körperkurve das Gestaltungsmotiv für die Formation des
landschaftlichen Hintergrundes bildet.

Die besondere Liebe des Künstlers gehört den Bäumen. Sie sind ihm lebende Wesen, beladen
mit individuellem Schicksal, das in den krausen Runen ihrer Form verzeichnet ist, und dennoch
zugleich ins Allgemeine gehoben als exemplarische, sinnbildstarke Verkörperungen ihres Geschlechts.

A. Weber-Scheld, Morgenglocken.

Holzschnitt.

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