Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Erwin Lang, dessen Holzschnitte und
Zeichnungen im Mittelsaal dem eintretenden
Beschauer zuerst vor Augen stehen, ist in
den ausgestellten Werken Graphiker. Porträt
und Akt bilden Belege für seine Kunst, und
gleich hier wird uns das erkennbar, was
eingangs in wenigen einleitenden Worten
zu bezeichnen versucht wurde: die Zeich-
nung wird dem herrschenden Kunstwillen
Untertan gemacht. Auf das Mittel der Höhung
der Zeichnung durch fremde Farbe wird
nicht verzichtet. Es herrscht ein Drang nach
Belebung der Fläche, Belebung durch Körper-
haftigk'eit,durch ausführliche Wiedergabe des
Dreidimensionalen. Die Tendenz der Sach-
lichkeit, die einfachste und kühlste Darstel-
lung alles Schaubaren wirkt nach. Hier aber
gibt uns die Zeichnung die Quintessenz, den
Kern. Untersuchen wir zuerst die Porträt-
auffassung, so wird uns klar, daß neben
dem rein Persönlichen, dem individuell Un-
willkürlichen, versucht wird, allem Hinzu-
tretenden ein ähnliches, der Persönlichkeit
entsprechendes Leben zu verleihen. Nichts
bleibt da überflüssig. Die Formulierung

dessen, was das Bild ausdrücken will, legt Wert auf jedes Komma, auf jeden Gedankenstrich. Bei
der Absicht, solchen Gedanken ins Bildliche zu übersetzen, wird, soll dies in der Zeichnung
geschehen, die plastisch bedeutsame Fläche in den Mittelpunkt treten und — bei Lang ist dies
der Fall — die Linie dem Beschauer nur dort als Erscheinung für sich zum Bewußtsein gelangen
können, wo sie — bildlich und wörtlich — Ausläufer aus der Sphäre ist, innerhalb der alles für
das Bild Wesentliche gesagt und geformt wurde. Thematisch wird hier, wo es sich darum handelt,
die Erscheinungswelt mit der gedanklichen in Einklang zu bringen, fast immer die menschliche
Gestalt in Betracht kommen. Porträt und Aktdarstellung bilden in dieser Hinsicht den Kern der
ausgestellten Arbeiten Längs. Lehrreich ist eine Gegenüberstellung der beiden Dichterporträte
Leonhard Frank und Richard Billinger; ersteres Holzschnitt, letzteres Zeichnung. Beide Flächen-
techniken — im Holzschnitt dominiert nicht die Linie — werden ausgenützt zur Erreichung des
Räumlichen und Körperlichen. In beiden Werken wird im Interesse der Erfassung jeder Einzelheit
unbedingte'Nahsicht gefordert. Der Holzschnitt aber ermöglicht eine gleichmäßige, fast ornamental
wirkende Gegenübersetzung der Kontrastflächen. Hier wird das Härtere, dem Typus des Por-
trätierten entsprechend, durch den Mangel jeden Zwischentones erreicht. Die Zeichnung Richard
Billinger formt weicher, verschwimmender, mehr das Rundplastische hervorhebend. Sehen wir auf
weitere Arbeiten. Nicht nur beim »Porträt Ingenieur Forster«, auch bei »Mutter und Kind«, »Kinder-
studie«, »Anbetende«, »Frau mit Goldhaube«, »Kopfstudie« (Abb. 1) ist das Bildnishafte stark und
der Abstand vom Modell klein. Im Akt — »Der Fechter«, »Der Rufende« — glauben wir die

Abb. 1. Erwin Lani

95
 
Annotationen