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Deutscher Altphilologenverband / Landesverband Rheinland-Pfalz [Hrsg.]; Glücklich, Hans-Joachim [Gefeierte Pers.]; Loos, Hartmut [Bearb.]
Athlon: Festschrift für Hans-Joachim Glücklich — Speyer: Landesverband Rheinland-Pfalz im Deutschen Altphilologenverband, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.53136#0210
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204

Andreas Fritsch
Was heißt heute „lebendiges“ Latein?

Dabei unterscheiden wir von vornherein (a) das „Leben” der lateinischen Sprache und
Literatur selbst - einschließlich ihres „Fort- oder Weiterlebens”, ihrer Wirkungsge-
schichte und Rezeption -, die den Hauptgegenstand des Schulfachs Latein und der la-
teinischen Philologie ausmachen, und (b) die „lebendige” Unterrichtsmethode, die im
Wesentlichen von den pädagogisch-didaktischen Fähigkeiten und Möglichkeiten der
Lehrer/innen und den sozialkulturellen und institutionellen Bedingungen des Unter-
richts abhängen.
Im heutigen Umgang mit der lateinischen Sprache (außerhalb der eigentlichen Wissen-
schaft) hat PETER WÜLFING (t 2004) vor einiger Zeit in einem Aufsatz3 „zwei Berei-
che” unterschieden:
I. Er stellt fest, dass es (heute noch oder wieder) humanistisch gebildete Erwachsene
gibt, die ein Interesse daran zeigen, „ihre im Lateinunterricht erworbenen Kenntnisse
nicht nur für eine Lektüre lateinischer Autoren, sondern auch in mündlicher Kommu-
nikation zu benutzen”.
II. „Ein zweiter Bereich ist dem Gymnasium zuzuordnen, vorrangig dem Anfangsun-
terricht.” Der „performativ-kommunikative Teil der lateinische Sprache” komme im
Unterricht oft zu kurz; „das natürliche und spontane Bedürfnis nach motorischer und
performatorischer Betätigung” werde im Lateinunterricht „normalerweise zurückge-
drängt”, was sich aber „pädagogisch-methodisch als Verzicht auf ein wesentliches
Vehikel des Lernens” auswirke. Daher lohne es sich, „dieser Seite zu ihrem Recht zu
verhelfen, spontanen Ausdruck, der nicht immer am Maßstab ‘Goldener Latinität’ ge-
messen wird, zuzulassen und dadurch Raum zu gewinnen für Kurzdialoge, Frage und
Antwort, Rollen-Spiele, für Erzählen und Deklamieren.” Dies lasse sich mit textbezo-
gener Arbeit durchaus vereinbaren und sei geeignet, auch die Lektürephase zu „bele-
ben”. Doch hänge hier alles von „der rechten Gewichtung” ab. Der Gebrauch des
„mündlichen Lateins” müsse die „innere Sinngebung” des Fachs Latein im Auge be-
halten, die WÜLFING so zusammenfasst: „Die Vermittlung der Antike und die Kom-
munikation mit ihrem Erbe geschieht auf dem Weg über die inhaltliche Erschließung
originaler Texte.”
Beide Aktivitäten (I und II) seien „als Bereicherungen willkommen”, doch müssten sie
innerhalb ihrer Grenzen bleiben. WÜLFING kritisiert aber im Bereich I den „naiven
Gebrauch der Bezeichnung ‘Lebendiges Latein’ (‘Latina Viva’ [gemeint ist wohl
‘Latinitas Viva’, A.F.], ‘Latin vivant’ etc.)” und sagt: „Das Wort ‘lebendig’ scheint mir
Verwirrung zu stiften.” In einer Anmerkung (1) fügt er hinzu: „Übrigens wird nie ge-
sagt ‘Lebendes Latein’, was viva und vivant entsprechen würde. Ich kenne keine Erör-
terung dieses interessanten Sachverhalts und nehme an, dass die Unterscheidung zwi-
schen lebend und lebendig für die Selbstbezeichnung ohne Bedeutung ist.”
PETER WÜLFING: Loquerisne Latine? In: Der Altsprachliche Unterricht. Latein u. Griechisch
42,3 (1999), 60 f. u. 64. Nachdruck in: PETER WÜLFING: Vorträge und Schriften aus der Al-
tertumswissenschaft und ihrer Didaktik. Bochumer Altertumswissenschaftliches Colloquium,
Bd. 49, Wiss. Verlag Trier 2001, S. 377-382.
 
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