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Deutscher Altphilologenverband / Landesverband Rheinland-Pfalz [Editor]; Glücklich, Hans-Joachim [Honoree]; Loos, Hartmut [Oth.]
Athlon: Festschrift für Hans-Joachim Glücklich — Speyer: Landesverband Rheinland-Pfalz im Deutschen Altphilologenverband, 2005

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.53136#0139
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Jürgen Blänsdorf
Schwierigkeiten mit dem Glück
Schwierigkeiten mit dem Glück
Seneca, Epistulae morales 23, 60 und 74
Jürgen Blänsdorf

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Εύδαιμονία, vita beata, Glück ist durchaus nicht nur ein Kardinalthema der antiken
Philosophie oder aller Philosophie schlechthin und ansonsten der Irrationalität privaten
Glücksverlangens überlassen. Gerade in jüngster Zeit, so konnte man aus einer Glosse
der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 30. Dezember 2002 erfahren, konnten sich
Bücher zum Thema Glück sehr gut auf den Bestsellerlisten der Sachbuchliteratur (!)
behaupten. Zu Recht konstatiert der Artikel diese erstaunliche Wiederbelebung eines
anthropologischen Interesses. Insbesondere Stefan Kleins „Die Glücksformel. Oder
wie die guten Gefühle entstehen“ (Hamburg 2002) war in jenem Jahr zum Bestseller
geworden, und im Wintersemester 2002/03 veranstaltete das Studium Generale der
Johannes Gutenberg-Universität Mainz eine sehr reich besuchte Ringvorlesung zu
diesem Thema.
Glück scheint uns ein so selbstverständlicher Wert, dass wir zwar bereit sind, zuzuge-
stehen, dass es oft schwer zu erreichen ist, aber nicht, dass wir Schwierigkeiten im
Umgang mit dem Glück selbst haben könnten. Jedoch sobald wir versuchen, unser
Verständnis von Glück etwas genauer zu fassen, beginnen die Probleme, Einigkeit über
die von verschiedenen Menschen geäußerten Glücksvorstellungen zu erzielen. Schon
Aristoteles empfand die Differenzen des individuellen Glücksbegriffs als Problem der
Philosophie.' Ganz abgesehen ob wir Glück mehr materiell oder mehr geistig begrei-
fen: ist Glück denn die Freude über das Besitzen eines Gutes oder über das Gelingen
eines Wunsches oder Vorhabens, also das oft auch unverhoffte Glücken, oder ist es ein
das Innere beherrschendes Gefühl eines erfüllten und unbedrohten Daseins oder auch
nur das Entkommen aus einer Gefahr - nach der wir sagen: „Noch einmal Glück ge-
habt“?
Daher zielt besonders die heutige Diskussion in erster Linie auf die Fragen, worin
Glück besteht, welches Ausmaß es haben und wie man es erreichen kann. Bei diesen
drei Fragen nach einer Definition des Glücks - nach seinem Wesen also, nach seiner
Dimension und nach seiner Erreichbarkeit - berief sich Stefan Klein auf Aristoteles,
dessen Lehre, wonach Glück die optimale Erfüllung der menschlichen Möglichkeiten
sei, seiner eigenen Theorie entgegenkommt, wonach das Glück in der Natur des Men-
schen liegt, der Mensch aber zur Erlangung des Glücks etwas tun muss und dieses Tun
wiederum vor allem ein Lernen ist. In der Tat bringt Aristoteles in seiner Politik die

1 Aristot., EN 1095al7-26.
 
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