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Vermeers datiertes Dokument berichtet, daß er je eines seiner Bilder verkauft
hätte, sondern nur, daß er mehrere seiner Bilder Bäckern und Lebens-
mittelhändlern als Faustpfänder für schuldiggebliebene Waren ausfolgen
mußte.15
Die väterhche Kunsthandlung war im Jahre 1631 etabliert worden; Vermeer
heiratete acht Monate bevor er Meister wurde und eigene Werke verkaufen
durfte; zwei Jahre später starb der Vater und hinterließ ihm Haus, Wirtshaus
und Kunsthandlung; Vermeer hatte für Mutter, Frau und Kinder und sich
selbst zu sorgen. Während seiner letzten Lebensjahre scheint er ausschließlich
vom Kunsthandel gelebt zu haben. Denn als nach seinem frühen Tode seine
Witwe sich bankrott erklärte, gab sie als Grund ihrer Zahlungsunfähigkeit nur
an, daß infolge des Krieges der Kunsthandel schwierig geworden sei: „Während
des Krieges mit dem König von Frankreich“, sagte sie, „konnte mein Mann so gut
wie nichts verdienen und um seine elf Kinder zu erhalten, mußte er Kunstwerke, die er
gekauft hatte und mit denen er Handel trieb, gezwungenermaßen mit großem Verlust
verschleudern.“16 Von Vermeers eigenen Werken kein Wort.
Auch als Kunstexperte betätigte sich Vermeer.17 In Jahre 1671 hatte einer
der angesehensten Amsterdamer Kunsthändler, Gerrit Uylenburgh, dreizehn
Gemälde an den Kurfürsten von Brandenburg um 30.000 Gulden verkauft; ein
Künstler, der sie beurteilen sollte, erklärte sie-mit einer einzigen Ausnahme-für
„Kopien und Schund“ und die Bilder gingen nach Amsterdam zurück. Uylen-
burgh fand Experten, die für ihn stimmten; aber andere gaben ungünstige
Urteile ab. Die Gemälde wurden nach dem Haag gebracht und Vermeer und
ein anderer Delfter Maler, Hans Jordaens, sollten sie schätzen. Sie erklärten,

15 Bilder waren in jener Zeit als Anlagewerte all-
gemein akzeptiert, wie schon aus der oft zitierten Stelle
in John Evelyns Tagebuch hervorgeht: „13. August
1641. Auf dem Rotterdamer Jahrmarkt stehen so viele
Bilder zu Verkauf (besonders Landschaften und Drollerien,
ivie sie es nennen), daß ich völlig erstaunt war. Ich kaufte
einige und sandte sie nach England. Der Grund für diese
Menge an Bildern und daß man sie preisivert findet, liegt
darin, daß Mangel an Grundstücken herrscht, so daß man
sie nicht kaufen kann; daher ist es nichts besonderes, wenn
ein einfacher Bauer zwei oder drei tausend Pfund Sterling
in Bildern anlegt. Ihre Häuser sind voll davon und sie
verhandeln sie auf den Jahrmärkten mit reichlichem
Gewinn.“
16 A. Bredius in Oud-Holland, vol. xxvm, 1910, p.

62; Swillens, p. 188, Dokument No. 12.
17 Oud-Holland, vol. xxxiv, 1916, p. 92, Swillens,
p. 28 f. Es ist merkwürdig, daß Vermeer, der nie in
Italien gewesen, mit der Schätzung italienischer
Gemälde betraut wurde (und nicht zwei andere
Delfter Maler, Leonard Bramer und Cornelis de Man,
die ihre Lehr- und Wanderjahre in Italien verbracht
hatten und dessen Kunstschätze kannten). Das hegt
offenbar daran, daß Vermeer von Beruf Kunsthändler
und Schätzmeister war. - In seinem eigenen Nachlaß
fanden sich keine italienischen Gemälde, sondern nur
niederländische, darunter drei von Carei Fabritius,
zwei Porträts von Hoogstraeten eine Kreuzigung von
Jordaens und einige anonyme Landschaften und
Stilleben.

(h)
 
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